Sonntag, 19. März 2023

Review: Girls and Fast Cars

ZZ Top - Eliminator
ZZ TOP
Eliminator
Warner
1983
 
 
 









 
[ rustikal | flashy | rockig ]

Die frühen Achtziger waren rückblickend doch eine seltsame Zeit für Rockmusik und in der Geschichte des Genres vielleicht die erste Periode seit den Sechzigern, in denen der Glanz und die Gloria aus dessen goldener Ära langsam zu verblassen scheint. Noch immer Erzählen die Legenden der Fans von damals die Mär von den versagenden Ikonen, die konfrontiert mit technischem Fortschritt und geblendet von den Tricksereien der digitalen Popmusik der Fluch der ungeliebten Kackalben befiel, der selbst vor den ganz großen nicht zurückschreckt. Titel wie 90125 von Yes, Hot Space von Queen oder Trans von Neil Young werden von Musiknerds älterer Generationen noch immer mit einer tief empfundenen Verachtung ausgesprochen und einem vollumfänglichen Verrat an den Werten des Rock'n'Roll gleichgesetzt. Und obwohl man inzwischen sehr gut weiß, dass die Musik der Sechziger und Siebziger daran eben nicht gestorben ist und manche der ach so verhassten Platten so schlimm gar nicht waren, hängt dieser Umbruchsphase noch immer ein übler Beigeschmack an. Der von Tiefenverlust im Klang, Pro-Tools, programmiertem Schlagzeug und billigem Synth-Geschnetzel, das einen anbiedernden Cyborg aus dem einst so rabiaten und gefährlichen Rock-Monstrum machte. Was wäre aber, wenn das Einbeziehen eines solchen Fortschritts nicht zwangsläufig den Verlust der musikalischen Identität zur Folge hätte und man den Sound der Achtziger willkommen heißen könnte, ohne dadurch gleich weniger rockig und bodenständig zu sein? Ein Album wie Eliminator von ZZ Top beantwortet in meinen Augen sehr hinreichend die Frage, wie das funktionieren kann. Es ist in meinen Augen ein entscheidender Schritt der Band aus Texas vom schrotigen Wüsten-Bluesrock ihrer Frühphase zum aufgedonnerten, schnieken Arena-Boogierock ihrer zweiten Inkarnation und dabei definitiv eine ihrer besten und erfolgreichsten Platten. Mit dem Vorteil, dass sie gleichzeitig zeigt, wie eine gestandene Siebziger-Band das Instrumentarium einer neuen Dekade gänzlich zu ihrem Vorteil nutzt und dabei jegliche Peinlichkeiten umschifft. Wobei man als allererstes Mal feststellen muss, dass ZZ Top 1983 genau in das Schema einer Rockband im Umbruch passten wie die meisten der oben genannten. Mit Platten wie Tres Hombres oder Fandango! hatten sie in den USA seit Mitte des letzten Jahrzehnts kalkulierbare Erfolge gehabt und trudelten langsam auch in Übersee ein. Kommerziell gesehen war ihr rustikaler Bluesrock Ende Anfang der Achtziger aber ein Auslaufmodell und alle Welt strebte dank New Wave und Michael Jackson in die Gegenrichtung. Und beides zu verbinden wirkte auf dem Papier auch wie eine völlig hanebüchene Idee: ZZ Top waren eine Band, die gerade durch ihre urtümliche und etwas rauhbeinige Roadrunner-Art eine Marke aufgebaut hatte und deshalb auch ein bisschen konservativ klingen konnten. Andererseits interessierte sich Bandchef Billy Gibbons aber auch für Punk und New Wave aus England und fand die Idee, den Sound zu modernisieren, eigentlich ganz okay. Van Halen machten es ja schließlich auch, und die machten keine schlechte Rockmusik. Weshalb für die neue Platte Eliminator das ganze Arsenal aufgefahren wurde: Neueste Produktionstechnik, digitales Studioequipment vom feinsten und vor allem jede Menge Drumcomputer. Wobei letzteres objektiv den größten Unterschied von dieser Platte zu ihrem Vorgänger El Loco ausmacht. Die mechanische Präzision und der knallige Sound, mit dem hier die Schlagzeugparts versehen sind und die dem Klang von ZZ Top eine bis dato ungehörte Politur geben, verhalten sich wie Tag und Nacht und obwohl dabei auch noch echte Drums zu hören sind, wurden selbst diese Aufnahmen bis zur Unkenntlichkeit mit Reverb und Echoeffekten blankpoliert. Und mit dieser Art von schnieker Klangaufwertung geht an vielen Stellen auch ein gewisser inhaltlicher Wechsel einher, der ebenfalls seinen Finger am Puls der Zeit hat. Vor allem die Leadsingle Sharp Dressed Man passt mit seiner dressed for success-Message perfekt zum entfesselten Materialismus der frühen Achtziger und auch mit Tracks wie Legs, I Need You Tonight, Gimme All Your Lovin oder Bad Girl entfernen sich die Texaner weg vom rauhbeinigen Desperado-Narrativ ihrer bisherigen Sachen und hin zu stumpfem Girls and Fast Cars-Mumpitz, der in diesem Kontext aber irgendwie sehr gut passt. Vor allem auch deswegen, weil ZZ Top dabei nicht aufhören, ZZ Top zu sein. Im Musikvideo zu Sharp Dressed Man (auch so eine Sache, die Teil ihrer umfangreichen Pop-Eroberung war) sind nicht sie es, die in schwarzen Maßanzügen durch die Gegend hampeln, sondern ein telegener Schauspieler mit Hollywood-Flair. Die Band selbst steht wie gehabt vollbärtig mit Hut und Lederjacke auf der Bühne und mimen die Tanzkapelle auf der inszenierten Koks- und Krabbenparty. Und das gleiche passiert auch im Sound der Platte: Schnieke neue Drumsounds hin oder her, am Ende des Tages spielen ZZ Top immer noch rotzigen Hardrock mit gepfeffertem Südstaaten-Twang, der vor allem in der Produktion der Gitarren nach wie vor durchkommt. Die Riffs sind dabei angedickt und catchy wie eh und je und dass Gibbons nach wie vor in seinem dreckigen Hardrock-Timbre singt, wurde zum Glück auch so belassen. Die große Kunst von Eliminator ist es also, sehr geschickt die Modernisierungen auszuwählen, die für eine Gruppe wie diese Sinn ergeben und alles andere auf sich beruhen zu lassen. Dabei ist es klanglich durchaus ein radikaler Schritt für die Band, allerdings kein völlig verhobener und anbiedernder. Und selbst als sie auf dem Nachfolger Afterburner von 1985 stellenweise doch sehr synthetisch und flashy wurden, erhielten sie sich nach wie vor die Substanz ihrer roughen Performance und ihrer rockröhrigen Ästhetik. Letztlich wurden ZZ Top auch dadurch erst so richtig zu der Institution, als die man sie heute kennt und zu einem echten Topseller im Bereich des Achtzigerrock. Und auch qualitativ ist Eliminator für mich persönlich eine ihrer besten Platten, sowie der gelungensten Transformationen vom Classic Rock der Siebziger zum bombastischen Arenarock der Achtziger. Weshalb ich mir wünschen würde, dass es als solches mehr Anerkennung erfährt. Denn den Übergang in dieser Zeit unpeinlich zu schaffen, war wie gesagt eine harte Sache. Und ausgerechnet ZZ Top haben in dieser Hinsicht Vorbildcharakter gezeigt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Gimme All Your Lovin' | Got Me Under Pressure | Sharp Dressed Man | I Need You Tonight | I Got the Six | Legs | Thug

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Van Halen
Van Halen

Steppenwolf
Steppenwolf


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