Freitag, 6. Mai 2022

Almost Free

Pusha T - It's Almost Dry
PUSHA T
It's Almost Dry
G.O.O.D. Music
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ soulig | lyrisch | emanzipiert ]
 
Wichtiger Disclaimer an dieser Stelle: Ich bin Stand Frühjahr 2022 was die Karriere und Diskografie von Pusha T angeht noch immer ein ziemlicher Anfänger und auf dem Gebiet der Besprechung seines Materials absolut keine Autorität. Soll heißen, was ich hier über seine neueste LP geschrieben habe, findet vor einem ziemlich kurzsichtigen Horizont statt, der sich im wesentlichen auf die Erinnerung an die letzten paar Jahre seines Outputs beschränkt, in denen es ja soviel auch nicht zu holen gab. Genauergesagt nur eine wirklich nennenswerte Sache in Form seines vierten uns bis dato letzten Albums Daytona. An was ich mich dabei aber noch immer sehr genau erinnere, ist die subtile Wut, die ich vor inzwischen schon wieder vier Jahren auf jenes hatte. Und das nicht etwa deswegen, weil es musikalisch schlecht fand (tatsächlich war es sogar die Platte, die mich nach so langer Zeit der Ignoranz doch noch neugierig auf sein Zeug machte), sondern viel eher, weil Pusha selbst mit den künstlerischen Entscheidungen darauf nur sehr wenig zu tun hatte. Obwohl auf dem Cover (im übertragenen Sinne) sein Name stand und er an sich auch keine schlechte Performance ablieferte, wurde die LP ihrerzeit vor allem im Kontext des neuerlichen Kreativschubs besprochen, den Kanye West in diesem Sommer hatte und war als solche auch ganz und gar von seinen künstlerischen Fingerabdrücken durchwirkt. Als Hauptproduzent und ständiger Featurepartner kaperte er auf sehr einnehmende Art den öffentlichen Diskurs um Daytona für sich und machte die Platte somit über kurz oder lang quasi zu einer der vielen aus diesem Jahr, die eigentlich eher seinem Katalog zugerechnet wurden. Und obwohl das Narrativ darüber sich in den letzten Jahren - in denen die LP von vielen Fans mehr und mehr als potenzieller Klassiker gehandelt wird - zunehmend gewendet hat und auch die Leistung des Hauptakteurs selbst stärker hervorhebt, ist der erste Eindruck bei mir doch sehr haften geblieben. Und es färbt definitiv auch auf die Art und Weise ab, wie ich vier Jahre später diesen Nachfolger höre. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Kanye hier ein weiteres Mal eine sehr präsente Rolle einnimmt. Die Produktionscredits teilt er sich diesmal zwar mit Pharell Williams, dessen stilistischer Stempel hier mindestens ebenso stark haftet, sowohl als klanglicher als auch als inhaltlicher Impuls ist Ye hier aber weiterhin überall. Was vor allem in Hinblick auf seine neuerlichen Social Media-Eskapaden und dem vielen damit einhergehenden Schwachsinn auch nicht ganz unbedenklich ist. Denn wo es die eine Sache ist, wenn dieser Typ auf seinem eigenen Album zwei Stunden mit paranoid-manischem Verschwörungsmist über sein Privatleben und seine psychischen Zustände füllt, ist es eine ganz andere, wenn er dafür nun auch die Platten anderer nutzt. Und gerade Teile seines Features in Dreamin of the Past haben in dieser Hinsicht einfach einen echt sauren Beigeschmack. Die Kehrseite der Medaille: Auch seinem Zutun ist es hier ein weiteres Mal zu verdanken, dass It's Almost Dry an die kompositorische Hochwertigkeit seines Vorgängers anknüpfen kann und Pusha hier ein ebenso tolles Album veröffentlich, das ihn mir als extrem talentieren Hiphop-Gesamtkünstler verkauft. Songs wie Diet Coke, Rock N Roll oder Neck & Wrist tragen dabei wieder eindeutig den Stempel von Ye, was in diesem Fall aber vor allem heißt, dass sie großartig produziert sind und musikalisch wahnsinnig spannende Sachen anstellen. Denn im Gegensatz zu Daytona schafft es hier auch Pusha selbst, sich vom langen Schatten seiner beiden Produzenten ein bisschen mehr zu emanzipieren und dass hier auch mehr zu seinem Statement zu machen. Gerade ein Song wie Call My Bluff, der fast wie ein Freestyle aufgebaut ist oder das emotionale und biografische I Pray for You zeigen den New Yorker nicht nur als ziemlich guten Texter, sondern auch als jemanden, der Struktur in seine Songs bringt und damit auch locker ein ganzes Album füllen kann. Und dass so gut wie jedes Feature hier (Jaaa, auch die von Kanye) ziemlich gelungen ist (Persönliches Highlight: Kid Cudis Schlusspart in Rock N Roll, der ja fast nicht auf der Platte gelandet wäre), hilft da natürlich auch. Insgesamt ist Almost Dry damit vielleicht nur marginal besser als sein Vorgänger und hat definitiv nicht so viel Grandezza und Drama als Backdrop, um wirklich einen Klassiker herzugeben, für mich persönlich muss ich aber definitiv sagen, dass es sich um Längen besser anfühlt. Ganz einfach deshalb, weil sich das hier mehr nach einem Album anhört, das wirklich der kreativen Seele von Pusha T entstammt und nicht die Sockenpuppe eines überkandidelten Produzenten ist. Und damit ist es in meinem Leben auch wirklich das erste Projekt dieses Typen, von dem ich behaupten kann, dass es mich überzeugt hat. Und das wurde ja nun wirklich langsam mal Zeit.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Dreamin of the Past | Neck & Wrist | Diet Coke | Rock N Roll | Call My Bluff | Scrape It Off | Hear Me Clearly | I Pray For You

Nicht mein Fall
Brambleton


Hat was von
IDK
USee4Yourself

Kids See Ghosts
Kids See Ghosts


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen