Dienstag, 3. Mai 2022

Die Ruhe, die man braucht

KURT VILE
(watch my moves)
Verve
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ routiniert | gemütlich | zugänglich ]

Es passt in meinen Augen sehr gut zu einem Musiker wie Kurt Vile, dass er sich inzwischen eine so routinierte und denkbar ruhige Hand in seiner Tätigkeit als Songwriter beweist und dabei während der letzten zehn Jahre zu einer Größe im verspulten Slackerrock der Gegenwart geworden ist, mit der man einigermaßen rechnen kann. Zumindest wenn man es darauf bezieht, was genau auf einem Album von ihm kompositorisch zu passieren hat. Mindestens seit Wakin On A Pretty Daze von 2013 - einer LP die nächstes Jahr schon zehn Jahre alt wird - hat sich der ehemalige War On Drugs-Gitarrist auf seinen Soloplatten eine Art von grundgechilltem Indierock angewöhnt, die zwar auf der einen Seite herrlich entschleunigt und dauerbreit daherkommt, auf der anderen aber auch überraschend präzise und kreativ in ihrer Ausführung sein kann und dabei gerade in seiner ganzen müslihaften Ästhetik ziemlich planvoll zu sein scheint. Was man unter anderem daran erkennt, dass es Kurt Vile mit spielerischer Leichtigkeit gelingt, einen Song über zehn Minuten trotz seiner extrem monotonen Performance nicht langweilig klingen zu lassen und mithilfe dieser auch mehr als einmal Platten mit horrender Überlänge aufgenommen hat, denen man diese Eigenschaft kein bisschen anmerkte. Wobei das bisherige Highlight dieser klanglichen Ausprägung in meinen Augen auf jeden Fall seine letzte LP Bottle It In war, die viele dieser Attribute auf ein optimales Maß an Coolness einkochte. Und in vielen Belangen schien es im Vorfeld auch so, als würde (watch my moves) ein ganz ähnliches Album werden. Auch hier reden wir wieder von ungefähr 75 Minuten Gesamtmaterial, von denen immerhin ein paar Songs über sieben Minuten lang sind und auf der sich Vile erneut in sein perfektes klangliches Zen irgendwo zwischen Mac DeMarco, J Mascis und Dan Bejar einpendelt. Ein bisschen erstaunt ist man dabei vielleicht beim Opener Goin On A Plane Today, in dem man erstmal viel Klavier statt Gitarre hört, anschließend findet sich die Platte dann aber doch sehr schnell wieder in die übliche Routine ein, in der Sachen wie das Saxofon von Like Exploding Stones oder die Synths in Fo Sho doch eher klangliche Abrundung sind als zentrales Kompositionswerkzeug. Dass Vile dabei weniger rockig klingt als die meiste Zeit zuvor und sich an manchen Stellen eher wie ein Folksongwriter der Marke Jeff Tweedy anhört, ist trotzdem eine kleine Neuerung, die dieses Album letztlich auch sehr prägt und Fans von leicht psychedelischen Platten wie Bottle It In oder Pretty Daze vielleicht erstmal nicht so gefallen wird. Wobei es in meinen Augen letztlich sogar diese Nummern sind, die (watch my moves) am Ende ein bisschen den Arsch retten müssen, denn wäre es nur um den üblichen Kram gewesen, wäre Vile hier vielleicht ein bisschen versandet. Gerade wenn man sich den Anfangsteil der LP mit Nummern wie Flyin (like a fast train) oder Like Exploding Stones ansieht, erwischt der Songwriter hier mit vielen sehr stumpfen beziehungsweise unnötig verspielten Tracks keinen guten Start und erst wenn ab Mount Airy Hill langsam die Ruhe einkehrt, kann Vile viele seiner üblichen Stärken ausspielen. So wie Fo Sho als rumpelnde Slackerrock-Nummer mit verhältnismäßig viel Drive, das countryeske Cool Water, das leicht naive Hey Like A Child oder auch das winzige Experimental-Blicklicht (shiny things). Wobei das beste an diesen Songs ja eigentlich eh ist, dass sich hier nach einer Weile wieder dieses typische Kurt Vile-Gefühl einstellt, bei dem die einzelnen Stücke einfach nur noch gemütlich ineinander fließen und mich als große Wolke aus fluffigem Hippiepop über die komplette nächste Stunde der LP tragen. Und wenn dieser Zustand einmal erreicht ist, kann eigentlich nicht mehr viel schlimmes passieren. Im Gegenteil: An vielen Punkten klingt die songwriterische Palette hier nochmal etwas runder und spannender als auf Bottle It In und wenn ich will, kann ich mich hier sogar erstmals für Vile als Lyriker begeistern. Der angesprochene verholperte Start ist dann in dieser Hinsicht zwar schon ziemlich schade, weil er die größten Schwächen des Albums eben an einem wichtigen Punkt offenbart, doch ist der letztlich vor allem auch durch die Länge von (watch my moves) verkraftbar. Denn weit über eine Stunde echt gelungener Musik verbleibt mir am Ende trotzdem noch. Und das ist für Kurt Vile, der ja lange auch echt durchwachsene Platten machte und nicht immer eine so sichere Bank war, 2022 immer noch ein echt guter Deal.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Mount Airy Hill (Way Gone) | Hey Like A Child | Jesus On A Wire | Fo Sho | Chazzy Don't Mind | (shiny things) | Say the Word | Stuffed Leopard

Nicht mein Fall
Flyin (like a fast train)


Hat was von
Mac DeMarco
Here Comes the Cowboy

J Mascis
Tied to A Star


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