Mittwoch, 11. Mai 2022

...Nur die Wurst hat zwei

Rammstein - Zeit
RAMMSTEIN
Zeit
Universal
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ melodramatisch | klobig | gewohnt ]
 
Da das hier meine erste Besprechung über ein Album von Rammstein ist und es zumindest in Deutschland anscheinend so ist, dass man eine Meinung über diese Band haben muss, möchte ich diesen Punkt am besten gleich eingangs kurz klären. Wobei besagte Meinung für mich sicherlich am besten mit einer Art toxischer Hassliebe zusammengefasst werden kann, bei der ich mich immer wieder in der Position des enttäuschten Zuhörers befinde, der wider aller schlechten Erfahrungen glaubt, die Band könnte sich nach allem was passiert ist ja vielleicht doch noch zum Besseren ändern. Und wenn man sich die Vergangenheit der Berliner ansieht, gab es diese Momente ja auch schon so manches Mal. Sowohl ihr inzwischen fast ein bisschen rudimentär wirkendes Debüt Herzeleid von 1995 als auch ihr erstes Quasi-Comeback Liebe ist für Alle da von 2009 sind Platten, die ich noch immer verhältnismäßig gerne höre und auch auf den Platten dazwischen finden sich immer wieder vereinzelte Highlights, die meinen Glauben an diese Band stetig befeuern. Wobei es eben auch schon seit einer ganzen Weile die andere Seite der Medaille gibt, in der Rammstein seit spätestens Mitte der Zwotausender als ziemlich wurstige und dumpfe Shock Value-Maschinerie existieren, die immer wieder inhaltsleerer Provokation anheim Fallen und vor allem lyrisch schon seit Dekaden ziemlich ausgebrannt wirken. Wobei diese Ausprägung ihrer Ästhetik vor allem auf ihrem letzten selbstbetitelten Album von 2019 sehr Überhand nahm und für nicht wenige sehr peinliche und fragwürdige Momente sorgte, die Rammstein mehr und mehr wie ein Opfer ihres eigenen Klischees wirken ließen. Was folglich eine Sorge war, die ich auch in Hinblick auf diese neue LP hatte und die gerade in Anbetracht von Singles wie Zick Zack, die ein weiteres Mal die eher gimmickhafte Seite der Band zeigten, auch sehr realistisch erschienen. Umso erstaunlicher also, dass das fertige Album nun doch wieder auf etwas ernsthafteres Songwriting setzt als der Vorgänger und stellenweise sogar zu einer gewissen Schwermut neigt. Auch dafür gab es in Form des Titeltracks als Leadsingle einen starken Vorboten, und in ähnlicher Weise verhalten sich nun aber auch diverse andere Stücke wie Schwarz, Armee der Tristen oder Meine Tränen, in denen Rammstein sich eher melancholisch und nachdenklich geben. Und wo sie dabei in den besten Momenten an die gekonnte Poesie von Liebe ist für Alle da heranreichen, geht das ganze an vielen anderen Stellen auch sehr in die Richtung moderner Neue Deutsche Härte-Gothrockbands wie Eisbrecher, Letzte Instanz oder Subway to Sally, die ja aus gutem Grund schon immer als die Bootlegversionen der Berliner verschrien sind. Wobei wir über die wenigen Songs, die von dieser Formel Abstand nehmen und auch mal ordentlich auf die Kacke hauen können, noch gar nicht gesprochen haben, bei denen es an vielen Stellen dann doch wieder sehr fragwürdig wird. Da gibt es Songs wie OK oder das bereits angesprochene Zick Zack, in denen unter dem Deckmantel einer subversiven Provokation oder eines gesellschaftlichen Statements ziemlich grober Unfug fabriziert wird, der am Ende nicht mal witzig ist und vor allem textlich für unwillkürliche Fremdschamanfälle sorgt. Ein Song wie Dicke Titten, der in seiner vollumfänglichen Mallorcahaftigkeit wenigstens konsequent ist und auch gar nichts anderes zu sein vorgibt als dämlicher Bumshumor, ist mir schon tausendmal lieber. Und selbst ein Song wie Angst, der tatsächlich etwas zu sagen hat und klanglich sogar recht erfolgreich an die klassische Ästhetik der Zwotausender anknüpft, ist im Vergleich zu tatsächlichen Evergreens wie Sonne oder Du Hast sehr schnell verblasst. Wobei letztlich auch alles Haarespalten nichts bringt, denn dass Rammstein hier insgesamt mal wieder ein recht dürftiges Album machen, wird ziemlich schnell klar. Es ist dabei zwar wieder ein bisschen mehr Niveau im Spiel als auf dem Vorgänger und das ist an sich gut, doch wo das zuletzt vor allem daran lag, die dummdreist die Band losholzte, ist der Grund für das kreative Versagen hier am Ende vielleicht der schlimmere: Rammstein klingen hier nämlich zum ersten Mal ein bisschen langweilig. Was daran gemessen, wie viel diese Gruppe seit jeher unternimmt, um genau das nicht zu sein, schon als Bauchlandung zu verzeichnen sein dürfte. In meinen Augen zwar etwas graziler als viele Male zuvor, aber letztlich doch ziemlich unschön. Bleibt zum Schluss nur die Frage, warum ich das nicht schon von vornherein besser wusste.

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11

Persönliche Höhepunkte
Zeit | Angst

Nicht mein Fall
Giftig | Zick Zack | OK


Hat was von
Unheilig
Große Freiheit

Letzte Instanz
Schuldig


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