Dienstag, 17. Mai 2022

Sister 2 Sister

Ibeyi - Spell 31
IBEYI
Spell 31
XL Recordings
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ kosmopolit | identitätsstiftend | soulig ]
 
Es passiert mir auf diesem Format zunehmend häufiger und es freut mich zugegebenermaßen auch jedes Mal mehr, wenn ich bestimmte Acts erst dann zu mögen anfange, wenn die meisten Anderen um ihre Existenz schon längst vergessen haben und es sich fast schon wieder ein bisschen wie eine Entdeckung anfühlt, ihren Output hier plötzlich cool zu finden. Vor allem auch dann, wenn man vorher immer keine wirkliche Ahnung hatte, was zum Henker denn alle an dieser Musik eigentlich so fantastisch finden. Und eine Formation, mit der es mir jüngst mal wieder so ergangen ist, sind die beiden Schwestern Lisa und Naomi Díaz aus Paris, besser bekannt unter ihrem gemeinsamen Bandnamen Ibeyi. Bekannt wurden diese beiden erstmals um 2015 herum als die Art von Gruppe, die man heutzutage als 'Industry Plants' bezeichnen würde und die dank guter Beziehungen im Musikbusiness (ihr Vater Angá Díaz spielte beim Buena Vista Social Club) bereits mit 17 Jahren einen Plattenvertrag bei XL Recordings unterschrieben. Und dass ihre ersten Sachen dort für Aufmerksamkeit sorgten, war in gewisser Weise auch nur logisch, denn mit ihrem viersprachigen Mix aus zeitgenössischem R'n'B und diversen karibischer und westafrikanischer Folk-Flavours waren Ibeyi damals die prädestinierten Vorzeigedarlings pseudowoker Feuilleton-Nerds, die sich wirkmächtig damit schmücken konnten, ihre Sachen cool zu finden. Weshalb ich seinerzeit eigentlich eher die Art anstrengend fand, wie über ihre Musik geschrieben und gesprochen wurde, doch auch viele der Songs an sich waren auf ihren ersten beiden Alben nicht wirklich interessant. Seit dem letzten davon sind aber nun inzwischen schon wieder ganze fünf Jahre ins Land gegangen und abgesehen von einem kurzen Soundtrack vor wenigen Monaten war es um die beiden Schwestern zuletzt lange sehr still. Und wie ein richtiges Comeback fühlt sich das gerade Mal 25-minütige und klanglich eher zaghafte Spell 31 jetzt auch nicht wirklich an, eher wie ein erneutes vorsichtiges Herantasten an die Materie Popmusik. Wobei es als solches in meinen Augen trotzdem das beste Stück Musik ist, das ich von Ibeyi bisher gehört habe und vor einer Woche wider Erwarten kaum Überzeugungsarbeit brauchte, um mich vom Fleck weg abzuholen. Das lag zugegebenermaßen auch daran, dass sich mit Sangoma, O Inle und Made of Gold die drei besten Songs der Platte direkt an dessen Anfang befinden und dort auch genau richtig sind, mit nicht mal einer halben Stunde Gesamtlaufzeit hat Spell 31 aber anschließend auch keine wirkliche Zeit für Deep Cuts und liefert folglich auch weiterhin ordentlich ab. Viele der Tracks gehen dabei gerade Mal etwas mehr als zwei Minuten und mit Foreign Country und O Inle sind sogar Titel dabei, die man eher als Interludes bezeichnen könnte, trotzdem haben diese nicht selten eine beeindruckende kompositorische Tiefe und eine Reichhaltigkeit an klanglichen Elementen, die manch anderer in 90 Minuten nicht hat. Die beiden Zwillinge selbst sind dazu auch noch sehr charismatisch und erforschen zum wiederholten Mal auf diversen Sprachen ihre kulturellen Verzweigungen in aller Welt, die sie auch passend multifolkloristisch aufarbeiten. In den wenigsten Momenten müssen sie dabei explizit politisch werden (der Moment in Rise Above, wo es mal kurz doch passiert, ist für mich der einzige effektive Schwachpunkt des Albums, weil er leider ein bisschen oberflächlich bleibt), immer haben ihre Texte aber etwas identitätsstiftendes und empowerndes. Und dass sie tolle Sängerinnen sind, ist tatsächlich eine der wenigen Sachen, von denen ich vorher schon überzeugt war. Sicherlich ist Spell 31 in all seiner Knappheit dabei kein Meisterwerk und lässt an vielen Punkten eben doch zu wenig Raum, in dem sich die beiden effektiv künstlerisch austoben können. Was mit den vorhandenen 25 Minuten gemacht wird, ist allerdings trotzdem durchweg überzeugend und an nicht wenigen Stellen sogar ziemlich großartig. Und es reicht auf jeden Fall, dass ich nach sieben Jahren der relativen Ignoranz gegenüber dieser Gruppe jetzt doch ziemlich interessiert bin, was die beiden in der nähreren Zukunft vorhaben. Vielleicht ja sogar mal wieder eine größere Platte.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11

Persönliche Höhepunkte
Sangoma | O Inle | Made of Gold

Nicht mein Fall
Rise Above


Hat was von
the Internet
Ego Death

FKA Twigs
Magdalene
 

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