Freitag, 21. Juni 2024

Review: Break Point

 

JUDAS PRIEST
British Steel
CBS | Columbia
1980
 














[ groovy | rockig | eingängig ]

Ich will mich an dieser Stelle auf keinen Fall an einer Debatte darüber beteiligen, ob British Steel das beste oder wichtigste Album von Judas Priest ist, dafür kenne ich den Output der Band an diesem Punkt noch zu wenig. Mit fast 20 Longplayern in über 50 Jahren Existenz sei mir das verziehen, zumal ich lange gebraucht habe, um bei dieser Band überhaupt auf den Geschmack zu kommen. Denn als jemand, der eine Metal-Sozialisation erlebt hat, die zeitlich diesseits von Limp Bizkit, Deathcore und Djent stattfand, standen die Briten in meinen Augen lange Zeit für die archaische Art Metal, die ich als Teenager eher albern fand: Mehr Fokus auf Schnelligkeit als auf Groove, jede Menge gniedelige Gitarrensoli, lyrische Metaphern über epische Schlachten und High Fantasy und vor allem die operettenhaft schneidende Kopfstimme von Rob Halford, der im Lederkostüm Arien schmetterte. In meiner Welt war das nicht der verhärtete Weltschmerz, für den ich Metal hörte, sondern albernes Puppentheater. Weil man irgendwann aber auch mal aus seiner Trotzphase rauskommt und sich mehr für die Musik interessiert, von der im Metal alles herrührt, wird man irgendwann eben doch weich und entdeckt die Schätze der Vergangenheit. Aber wo ich gegenüber Teilen des Outputs von Bands wie  Iron Maiden und sogar für die Epigonen Black Sabbath noch immer einige Skepsis hege, sind es Judas Priest, die mich seit einiger Zeit immer mehr überzeugen. Wie gesagt, noch erforsche ich ihren Katalog und entdecke die Klassiker Stück für Stück, gerade ihre neuerliche Phase mit inzwischen drei tollen Platten macht mir aber mächtig Bock. Und für mich persönlich ist es von den Oldschool-Großtaten eben British Steel, das mich bisher am meisten abholt. Das ist einerseits deshalb so, weil mir das Album musikalisch gut gefällt, andererseits funktioniert es für mich auch als wichtiges Bindeglied, in der sich die Entwicklung des Heavy Metal zu Beginn der Achtziger abzeichnen lässt, die man eigentlich auch als seine zweite Geburt bezeichnen könnte. Denn obwohl die Wurzeln des Genres bereits in den späten Sechzigern liegen und die Siebziger generell als Entstehungszeit der Bewegung gelten, war diese Zeit doch noch sehr von akwarden Findungsphasen bestimmt, die man aus heutiger Sicht eher in Richtung Hardrock, Prog oder Psychedelic einnordnen würde. Auch Judas Priest waren während dieser Zeit aktiv und probierten fleißig mit, was sie zu Beginn der Achtziger schon zu einem Seasoned Act machte. Entscheidend war aber, dass sie genau in dieser Phase ihrer Karriere die Impulse der New Wave of British Heavy Metal aufnahmen, die seit Ende der Siebziger von Bands wie Iron Maiden oder Saxon ausging und als Teil derer Judas Priest über kurz oder lang selbst einige der wichtigsten Alben veröffentlichten, zu denen auch British Steel gehört. Zu hören ist darauf folglich ein verbesserter Prototyp dessen, was wir heute als das Klischee von Heavy Metal kennen, wobei Judas Priest zum Teil nochmal tief in die Hardrock-Trickkiste greifen: Gerade Songs wie United oder Red, White & Blue klingen eher wie die Art von Classic Rock-Material, das man noch heute auf großen Sportevents singt und das deshalb schon irgendwie zeitlos ist, aber eben auch ziemlich käsig. Die größten Metal-Momente findet die Band im Gegensatz dazu immer dann, wenn sie das Tempo anzieht und zackiger wird. Gerade im ersten Teil der LP findet man diese Momente am häufigsten, sicherlich nirgends so effektiv wie im heutigen Band-Klassiker Breaking the Law. Man muss aber auch ganz klar sagen, dass Judas Priest diese Wechselwirkung von Staccato-Riffs und galoppierendem Rhythmus erst später perfektionierten, weshalb ich hier am Ende vor allem jene Passagen mag, in denen sich diese Platte Experimente traut, die im Kosmos Metal später kaum noch stattfanden. Sachen wie das fast glamrockige Living After Midnight, der seltsam chorische Refrain von Metal Gods und vor allem die großzügigen Reggae- und Funk-Einflüsse auf the Rage, die zum Teil eher nach einer Band wie the Police klingen. Ich muss zugeben, dass genau diese Elemente es mir anfangs schwierig mit diesem Album machten, weil sie scheinbar so gar nicht zu Judas Priest passen, inzwischen sind sie aber Highlights, die British Steel vom bloßen Metal-Klischee abheben und für echte Abwechslung sorgen. Und wo das irgendwie schon bedeutet, dass ich diese LP nicht direkt allen gefallen wird, die sich mal mit klassischem Heavy Metal auseinandersetzen sollen, ist sie trotzdem nicht nur wichtig für dessen Historie, sondern gerade der Momente wegen spannend, in denen sie mehr die Vergangenheit beleuchtet. Für den Blick in die Zukunft würde ich dann vielleicht ein anderes Album empfehlen. Oder am besten gleich Iron Maiden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Rapid Fire | Metal Gods | Breaking the Law | United | Living After Midnight | the Rage

Nicht mein Fall
Red, White & Blue


Hat was von
Iron Maiden
Killers

Black Sabbath
Sabotage


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