Dienstag, 25. Juni 2024

Songs für die Ewigkeit: Die Walze

 



SONGS FÜR DIE EWIGKEIT
RUSSIAN CIRCLES
Youngblood
aus dem Album Station
Suicide Squeeze | 2008













Ich lehne mich mit dem nun folgenden Satz vielleicht ein bisschen mehr aus dem Fenster als ich das sollte, ich habe mir das ganze aber gut überlegt. Etwa zehn Jahre lang um genau zu sein, und in der Zeit hat sie meine Überzeugung diesbezüglich eigentlich nur verfestigt. Und zwar die, dass Youngblood von den Russian Circles womöglich der Song mit dem besten Gitarrenriff aller Zeiten ist. Und klar, eine Aussage wie diese ist in vielerlei Hinsicht ein Hot Take. Allein schon deshalb, weil wir hier eben nicht über einen allseits bekannten Rock-Klassiker wie Whole Lotta Love, Smoke On the Water oder Paranoid reden, die man sonst gerne in solchen Konversationen anführt, sondern von einer relativ unscheinbaren Postrock-Nummer einer selbst in der Szene eher zweitrangingen Band. Zum anderen ist das besagte Riff, das hier den meisten Platz einnimmt, eigentlich fast zu simpel für so ein Prädikat. Gitarrist Mike Sullivan, der hauptverantwortlich für die Komposition dieses Tracks gewesen sein dürfte, hängt im wahrsten Sinne des Wortes fast das komplette erste Drittel davon auf einem Akkord und macht technisch echt nichts beeindruckendes. Was ist für mich also so faszinierend daran? In songwriterischer Hinsicht vielleicht gerade das eben genannte. Denn wenn es Sinn und Zweck eines guten Gitarrenriffs ist, ein melodisches Motiv mit so viel Wucht wie möglich in die Synapsen der Hörer*innen zu hämmern, dann ist Youngblood perfektionierte Effizienz: Klanglich gleicht der Song einem Presslufthammer, der mit rhythmischer Monotonie und jeder Menge Wumms ein sprichwörtliches Loch in die Gehörgänge der Russian Circles-Hörer*innenschaft bohrt, und langweilig wird er allein deshalb nicht, weil die Band das zentrale Motiv auf alle möglichen Weisen in Szene zu setzen versteht: Erst ein kribbeliges Intro, das wie gemacht ist, um sich beim Konzert zum Knüppelkreis in Position zu bringen, danach geht es erstmal nur geradeaus. Sullivans Riff dampfwalzt unentwegt vor sich her, wobei es vor allem die Arbeit von Drummer Dave Turncrantz ist, die für die dringend nötige Variation sorgt. Denn erstmal schlägt der dazu nur die Viertelnoten an, steigert sich dann aber langsam in eine vollumfängliche Begleitung, die Sullivan immer mehr antreibt und zum Schluss in einem rhythmischen Tête-à-tête der beiden gipfelt, das einfach fantastisch ist. Das geht dann so bis ungefähr Minute drei, dann dreht der Song komplett die Stimmung. Von einer Sekunde auf die nächste dominieren plötzlich sphärische Melodiegitarren, die jeder andere Postrock-Song sich eigentlich für den Aufbau aufgehoben hätte, die hier aber das aufgeheizte Material wieder effektiv abkühlen. Und auch dass es danach nicht noch mal nach vorne geht, sondern einfach austrudelt, ist irgendwie konsequent und bricht zumindest mit den scheinbar logischen Abfolgen, auf die man als Postrock-Fan total koditioniert ist. Dabei ist das eigentlich clevere an Youngblood, wie unclever alles daran ist. Was wir hier haben, ist der klassische Fall von einem Track, den eigentlich jede (Postrock-)Band so hätte schreiben können, weil er seine Wirksamkeit durch total offensichtliche Ideen erreicht. Nur ist mit bisher eben keine andere Band untergekommen, die so einen Song geschrieben hat, beziehungsweise die Nummer so konsequent abrattert. Und das macht ihn schon seit Jahren zu einem absoluten Dauerbrenner für mich.
 
 
 
 
 



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