Sonntag, 26. November 2023

Die Wochenschau (20.11.-26.11.2023): Blink-182, King Gizzard & the Lizard Wizard, Below A Silent Sky und und und...


 
 
 
 
Blink-182 - One More Time...BLINK-182
One More Time...
Columbia

Letztlich ist die Rückkehr von Tom DeLonge zu Blink-182 nach der Krebserkrankung von Mark Hoppus eher von emotionaler als von künstlerischer Bedeutung. Denn auch mit Matt Skiba hatten die Kalifornier zuletzt eigentlich keine Probleme, einen wirkungsvollen Sound zu reproduzieren, der gleichzeitig das richtige Maß von Nostalgie aufkommen ließ (wenn man die denn hatte), die Band aber auch in die Gegenwart holte. One More Time... ist in dieser Hinsicht ein bisschen mehr auf ersteres konzentriert, was aber angesichts der Umstände auch okay ist und stellenweise auch gar nicht verkehrt klingt. Trotzdem hätte es dann nicht sein müssen, inhaltlich so sehr auf den sentimentalen Overkill zu setzen und vor allem, das Ding mit fast 20 Tracks komplett zu überladen. Denn wo ich mich auf ein emotional und musikalisch rückwärtsgewandtes Blink-Album schon irgendwie einlassen kann, geht es am Ende trotzdem nur in Maßen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11





Reverend Kristin Michael Hayter - SAVED!REVEREND KRISTIN MICHAEL HAYTER
Saved!
Perpetual Flame Ministries
 
Die Aussichten auf dieses Album waren eigentlich maximal geil. Nicht nur, dass Kristin Hayter sich nach zwei fantastischen Alben als Lingua Ignota entschied, dieses Moniker (und damit auch die Narrative über real erlebten Missbrauch, der nicht eben leichte Kost war) abzuwerfen, sie fokussierte sich auch auf das, was sie zuletzt schon am besten machte: Düster verspulte Kirchenmusik in der Tradition des amerikanischen Primitivismus. Und auch die Art, wie sie das hier alles aufbereitet, sollte in der Theorie funktionieren: Teilweise auf echten Volkliedern beruhendes Material und archaisch-spirituelle Eigenkompositionen, präsentiert im authentischen LoFi-Gewand und mit einer entscheidenden Menge Goth und experimentellen Eskapaden, die fast schon heimlich untergemischt werden. Eine Idee, die in ein paar Momenten auch richtig gut aufgeht. Gerade die letzten zwei Songs der Platte fangen mit ihrer sporadischen, sakralen Klavierbegleitung den Spirit von Lingua Ignota ein, reduzieren ihn aber auch auf seine Essenzen. Blöd ist dann nur, wie sehr diesem starken Songwriting die albernen Produktionseffekte im Weg stehen und wie künstlich das alles auf alt gemacht wird. Ein Problem, zu dem an vielen anderen Stellen noch erschwerend hinzukommt, dass Tracks einfach nicht gut geschrieben und/oder interpretiert worden sind. Und was auf dem letzten Lingua Ignota-Album noch ernsthaft bedrohlich und finster wirkte, verliert hier in vielen Momenten eben dadurch ein Stückweit seine Ernsthaftigkeit. Mehr als alles andere ist Saved! also ein Album des vergeudeten Potenzials mit Schwächen, die tiefer gehen als das Fehlen einer krachigen Komponente. Bleibt nur zu hoffen, dass Hayter diesen Sound vielleicht noch einpendelt und weiter ausbaut, denn die Idee dahinter ist wie gesagt nicht schlecht.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11





King Gizzard & The Lizard Wizard - The Silver CordKING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD
The Silver Cord
KGLW

Schon seitdem ich die ersten Singles davon gehört hatte, verstand ich the Silver Cord primär als eine Art hausgemachte Verlängerung des Remixalbums Butterfly 3001, auf dem King Gizzard & the Lizard Wizard letztes Jahr das seinerzeit aktuelle Album durch den Elektro-Fleischwolf drehen ließen. Und wie auf diesem durch zahlreiche Künstler*innen passiert, pflügen sich die Australier hier selbst durch allerhand Spielarten elektronischer Musik, von Siebziger Proto-Synth über Trance bishin zu einer sehr eigenen Auslegung von Techno und Dancepop. Klanglich funktioniert das ganz gut und wie schon bei ihren ersten Ausflügen in Richtung Thrash Metal auf Infest the Rats Nest bleiben sie trotz eines völlig neuen Sounds grundlegend sie selbst. Eine weitere Gemeinsamkeit mit diesem Album ist aber leider auch, dass das Songwriting dahinter eher uninteressant bleibt und King Gizzard mir zu wenige prägnante Momente setzen. In der Extended Version der Platte funktioniert das noch ein kleines Stück besser, da ein gewisser ausgedehnter und waberiger Charakter hier Platz hat, die knapp halbstündige Standardvariante leidet unter der Ziellosigkeit der Songs aber schon deutlicher. Ein schlechtes Album ist the Silver Cord damit am Ende nicht, trotzdem ist es schade, wie unessenziell und beliebig ein Projekt wirken kann, das so einen gewagten stilitischen Sprung unternimmt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11



HOWLING GIANT
Glass Future
Magnetic Eye

Howling Giant - Glass FutureEs brauchte anscheinend erst dieses spätherbstliche Stoner-Brett von Howling Giant um festzustellen, wie wenig Sachen aus dieser Stilrichtung bei mir in den letzten zwei Jahren Thema waren. Und obwohl Glass Future bis auf ein paar Sprachsamples und proggige Einschübe nicht viel besonders macht, zeigt es mir doch auch mal wieder, wieso genau diese althergebrachte Formel nach wie vor funktionieren kann. Dabei tut es auch gut, dass Howling Giant nicht auf Krampf versuchen, super hart und bombastisch zu klingen, sondern profitieren tatsächlich davon, einer gewissen Melodik und Fantasterei die Türen zu öffnen. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11







PINK SIIFU & TURICH BENJY
It's Too Quiet..'!!
Die-Ai-Wei

Pink Siifu & Turich Benjy - It's Too Quiet..'!!Obwohl It's Too Quiet..'!! bei weitem nicht so exzentrisch ist wie Gumbo'! vor zwei Jahren und das hier aufgemachte Fass wesentlich kleiner ist, ist es doch das nächste ziemlich starke Projekt von Pink Siifu. Wieder verwischen die einzelnen Tracks darauf zu einer herrlich abstrakten Hiphop-Suppe, die von haufenweise namhaften Indie-Producern wie Harry Fraud, Nick Hakim und Lance Skiiiwalker gekocht wird und auch in ihrer Subtilität jede Menge stilistische Fahrwasser durchkämmt. In meinen Augen zumindest ein bisschen der geistige Nachfolger zu Gumbo'!.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





LAURA VEIRS
Phone Orphans
Raven Marching Band

Laura Veirs - Phone OrphansSehr zurückgehaltene und sparsame neue Platte von Laura Veirs, die fast nur mit Akustikgitarre eingespielt wurde und in ein paar Momenten sogar ganz auf Instrumentierung verzichtet. Genau das bringt in meinen Augen aber das beste an dieser Songwriterin hervor und sorgt für ein Indiefolk-Album dieser ganz intimen Sorte, die bei denen weniger wirklich mehr ist. An nicht wenigen Stellen erinnert Veirs mich dabei an jemanden wie Ichiko Aoba, bei der eine ähnlich ausdrucksstarke Musik ganz ohne Zusätze funktioniert. Und nachdem ich letztes Jahr schon die letzte Platte Found Light sehr gerne mochte, ist diese hier sogar noch einen Tacken besser geworden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11






BELOW A SILENT SKY
Walls of Light
Die-Ai-Wei

Below a Silent Sky - Walls of LightWar der Vorgänger A View From Afar noch dicht gestrickter Postrock mit toughen Riffs, dann sind Below A Silent Sky spätestens mit ihrem dritten Album schultertief im Post Metal angekommen. Die vier ausgedehnten Jams von Walls of Light klingen so nachtschwarz und zugezogen wie das Cover aussieht und sind dabei vielleicht nicht besonders filigran, aber schon irgendwie stimmig. Und auch wenn die Thüringer damit am Ende kein Rad neu erfinden und ich die letzte Platte einen Ticken besser fand, ist vieles hier doch grundlegend überzeugend.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11
 






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