Sonntag, 12. November 2023

Die Wochenschau (06.11.-12.11.2023): Ski Aggu, The Screenshots, Bad Bunny, Offset, Juse Ju und und und...


 
 
 
 
 
THE SCREENSHOTS
Wunderwerk Mensch
Musikbetrieb R.O.C.K.

Schon das letzte Screenshots-Album drohte an gewissen Punkten, in eine etwas plattitüdige, respektive zu stark abstrahierte Art von Pretenziosität umzukippen, hievte sich aber in den entscheidenden Momenten noch hoch. Wunderwerk Mensch schafft diese Hauruck-Aktionen leider nicht so umfassend, was verschiedene Gründe hat. Erstmal ist es mit gerade Mal 28 Minuten zu kurz, um in sich eine große Spannweite an Ideen zuzulassen und diese wird dann auch noch mit ziemlich viel selbstreferenziellem Quark ausgefüllt. Den eröffnenden Titelsong hätte man weglassen können, Rockstar wie Chad Kroeger klingt wie eine schwächere Version alter Songs und obwohl die drei von Susi Bumms gesungenen Stücke schon irgendwie spannend sind, singt sie darauf mit dem Charme einer Andrea Nahles. Dazwischen gibt es viel Füllmaterial, das selbst die überflüssigen Tracks der letzten LP profund wirken lässt und so richtig in einen Flow kommen die Screenshots erst ganz kurz vor Schluss. Dort gibt es mit Großeltern und Die Liebe weiß nit wo se hinfährt dann doch nochmal zwei richtig starke Tracks, wobei es sicherlich kein Zufall ist, dass genau die auch die emotionalsten und ersthaftesten des Albums sind. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11

 
 
 
 
Goat - MedicineGOAT 
Medicine
Rocket

Nach einem nicht ganz formstarken Comeback im Endspurt des letzten Jahres und einem Fernsehsoundtrack im Sommer sind Goat jetzt endlich so richtig wieder da und auch qualitativ auf dem Niveau, mit dem sie vor der Pause eine der besten Psychrock-Bands der Zwotausendzehner wurden. Medicine reaktiviert dabei durchaus alte Stärken und klingt nach schamanischem Eso-Hokuspokus, Krautrock und Tishoumaren, nicht selten leuchten aber auch nostalgischer Psychedelic Folk oder Remineszenzen an die Pioniere des Heavy Metal durch. Das macht die neue Platte an vielen Punkten vielseitiger und greifbarer und setzt die Experimentierfreude des Vorgängers mit besseren stilistischen Andockpunkten fort. Ein bisschen unpassend finde ich es dabei, das manche Songs sich anscheinend an sozialkritischen Inhalten probieren, weil Goat dafür musikalisch eigentlich zu sehr in ihrer eigenen Geisterwelt stattfinden. Weil man abgesehen von Songtiteln wie I Became the Unemployment Office oder Join the Resistance aber eh nichts davon merkt, ist es auch eher eine theoretische Kritik.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





The Mary Wallopers - Irish Rock n RollTHE MARY WALLOPERS
Irish Rock N Roll
BC Records

 
 
 
 
 
 
 
Man könnte den Mary Wallopers vorwerfen, dem Entwurf irischer Folkmusik im Pop-Gewand, wie ihn einst die Pogues und Dubliners vorformulierten, nicht mehr viel hinzuzufügen und sich einfach nur in deren gemachtes Nest zu setzen. Dabei würde man aber unterschlagen, dass es seit diesen Epigonen des Genres nur sehr sehr wenige Bands gegeben hat, die das Volksliedgut ihrer Heimat mit so viel Authentizität und Unverfälschtheit reproduziert haben. Mal ganz zu schweigen von den vielen Trittbrettfahrer*innen aus Übersee. Und irgendwie ist Irish Rock N Roll dann auch ein Album, das zwar klanglich nach uralten Traditionen klingt, inhaltlich mit Texten über steigende Mietpreise, mentale Gesundheit, die falschen Versprechungen der Kirche und Alltagsrassismus aber sehr wohl im 21. Jahrhundert stattfindet. In dieser Hinsicht ist es vielleicht das Update 3.0 des irischen Folk-Revivals, das hier ein weiteres Mal beweisen kann, dass es immer noch funktioniert, wenn es richtig gemacht ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




Juse Ju - Das Problem, dass immer irgendwas passiertJUSE JU
Das Problem, dass immer irgendwas passiert
Groove Attack

Die neue Platte von Juse Ju erinnert mich ein bisschen an die letzte seines Kumpels Fatoni, deren Problem auch irgendwie war, dass sie stilistisch unfokussiert war und nicht wirklich viel zu sagen hatte. Wo die aber wenigstens so wirkte wie ein Album, in das jemand viel Arbeit gesteckt hatte, wirkt diese hier eher wie eine Sammlung an Restmaterial, die in allen Dingen völlig unmotiviert ist. Das liegt nicht nur an der Spielzeit von sportlichen 28 Minuten, die Grundideen von Juse Ju sind hier auch besonders dünn aufgetragen und zudem mittelprächtig ausgeführt. Ganz ohne spannende Momente bleibt die Sache zwar auch nicht, denn dazu ist der Stuttgarter zu clever, im Vergleich zu Hinguckern wie Shibuya Crossing oder JuNi gibt es aber echt wenig zu holen. Stattdessen wirkt Juses Art von Sozial-, Machismo- und Selbstkritik öfter ausgeleiert bis peinlich und nicht selten klingen Songs wie Ich lösche das Internet, Das bleibt alles so wie's hier ist oder Eule wie Parodien von sich selbst. Mehr als eine vorübergehende Formschwäche des Rappers vermute ich darin nicht und seine nächste gute Platte ist womöglich schon jetzt in Arbeit, trotzdem ist das hier definitiv ein neuer Tiefunkt seines Outputs, den ich nicht schönreden will.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11




BAD BUNNY
Nadie sabe lo que va a pasar mañana
Rimas
 
Bad Bunny - Nadie sabe lo que va a pasar mañanaWäre ich gehässig, würde ich Bad Bunny vorwerfen, dass er langsam versucht, am Thron von Drake zu rütteln. Nadie sabe ist mittlerweile sein zweites Album in Folge, das weit über eine Stunde Spielzeit in Anspruch nimmt und in dieser Zeit weniger versucht, konkrete Hits zu produzieren, als vielmehr einen kontinuierlichen Flow an groovenden Vibes aufzubauen. Und klar machen solche Platten schon lange auch andere Musiker*innen, allerdings geht die Sache bei wenigen (unter anderem eben bei Drake) so gut auf wie bei ihm hier. Das liegt vor allem daran, dass Bad Bunny stilistisch tatsächlich einige Alleinstellungsmerkmale besitzt und nicht zum ersten Mal das richtige Personal um sich schart. Einen Abstrich muss man aber zumindest im Vergleich zum Vorgänger Un Verano Sin Ti machen: Die neue LP hat trotz durchweg guter Songs ihre Längen und wird irgendwann sehr reizüberflutend.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





Offset - Set It OffOFFSET
Set It Off
Motown

 
 
 
 
 
 
 
 
Keine Ahnung, ob Offset sich für sein drittes Album mit Cousin und Bandkollege Quavo irgendwie abgesprochen hat, aber das erste, was mit an Set It Off aufgefallen ist, sind die Ähnlichkeiten zu dessen aktueller Platte. Man sollte aber auch nicht unfair sein, denn für beide sind die wichtigsten Themen - insbedondere der Tod von Takeoff im letzten Jahr - gerade ziemlich deckungsgleich. Offset hat mit seiner Ehe zu Cardi B noch ein zweites ziemlich großes, ansonsten dominieren die Narrative, die schon bei den Migos immer gut gezogen haben. Eine weitere Auffälligkeit ist aber, wie sehr der Rapper stimmlich streckenweise nach Drake klingt, was aber auch eher verwirrend als effektiv schlecht ist. Im Endeffekt ist Set It Off ebenso wie das Album seines Cousins kein weltbewegendes, aber trotzdem ein grundsätzlich starkes, das wenig falsch macht. Wahrscheinlich wäre es sogar seine bisher stärkste Soloarbeit, wenn diesbezüglich nicht alles im Schatten des werdenden Klassikers Without Warning von 2017 stehen würde.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




SKI AGGU
Denk mal drüber nach...
Die-Ai-Wei

Ski Aggu - denk mal drüber nach...Ich hatte beim Debüt von Ski Aggu schon irgendwie auf das Wildcard-Potenzial gehofft, das der Berliner seit Beginn seiner Karriere erfrischenderweise in die deutsche Pop-Landschaft einbringt. Leider ist Denk mal drüber nach... aber ernüchternd vorhersehbar und wieder Erwarten ganz schön öde geworden. Die ganze Retro-Trash-Eurodance-Nummer wirkte bei ihm ja schon vorher etwas ausgelutscht und bekommt den spannensten Twist hier noch im totgenudelten Friesenjung, abgesehen davon erfüllt Aggu auch diverse gängige Deutschrap-Klischees und hangelt sich von einem klamaukigen Wie-Vergleich zum nächsten. Und wo ich durchaus damit gerechtet hätte, dass dieses Album albern, kalauernd und trashig werden würde, wäre ich an keinem Punkt darauf gekommen, dass es am Ende vor allem nichtssagend ist.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11




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