Samstag, 10. Dezember 2022

Die Wochenschau (3.12.-9.12.2022): Black Eyed Peas, Nas, Fjørt und und und...


 

 
 
 
Fjørt - NichtsFJØRT
Nichts
Grand Hotel van Cleef
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Das vierte Album von Fjørt ist Hardcore für die letzte Generation. Fünf Jahre nach ihrer letzten LP Couleur gehen die Aachener den darauf eingeschlagenen Weg konsequent weiter und machen hier die lyrisch potenteste und sozialkritisch aufwühlendste Platte ihrer bisherigen Karriere. Die prägenden Themen dabei sind Privilegien und Dekadenz der westlichen Zivilisation, wobei Chris Hells Texte auch immer sehr den Finger an der eigenen Nase haben. Mehr als noch auf dem Vorgänger ist es dabei auch in der Performance spannend zu beobachten, wie sich strukturell gefühlt sehr am Hiphop orientiert wird, wobei gerade Songs wie Feivel oder Lakk klingen wie eine Version von Casper, die immer noch mit einem Bein im Hardcore steht. Und wo gerade diese Sachen am Anfang auch dafür sorgten, dass ich ein bisschen mit dem Album fremdelte, sind die mittlerweile die Attribute, die mich daran festhalten und für eine emotionale Nähe sorgen, die die Vorhänger nicht so ganz hatten. Dass Nichts die beste LP der Gruppe ist, würde ich deshalb nicht gleich sagen, doch hält es definitiv das starke Niveau, das bisher fast ihr ganzer Katalog hatte.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11
 
 
 
Nas - King's Disease III
NAS
King's Disease III
Mass Appeal

Ich würde an dieser Stelle ja sagen, dass aller guten Dinge drei sind, doch wäre ich im Moment schon ein bisschen enttäuscht, sollte Nas seine King's Disease-Saga von hier ab an den Nagel hängen. Denn dass die Zusammenarbeit zwischen ihm und Hit-Boy eine nachhaltig fruchtbare ist, zeigt sicherlich nichts besser als dieser dritte Teil der Serie. Wo die vorherigen zwei (und auch die zwischendurch veröffentlichte LP Magic vom letzten Dezember) schon viel musikalisches und inhaltliches Futter zeigen, ist hier doch definitiv endgültig der Punkt erreicht, an dem das Konzept der beiden so richtig aufblüht und für ein durchweg starkes Gesamtwerk sorgt, das frei von jeder Mittelmäßigkeit ist. Sowohl Hit-Boys Beats als auch die Lyrics des Hauptakteurs erreichen hier energetisch nochmal ein neues Level, das sich dann nicht nur in zahlreichen Bangern, sondern auch in einer stattlichen Gesamtspielzeit von 51 Minuten äußert, in der die Platte nie wirklich langweilig wird. Statt eines Abschlusses klingt das hier für mich also eher nach einem Sprungbrett für noch wenigstens ein Dutzend dieser Alben und ist nach aktuellem Stand das mit Abstand beste der Serie.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



Black Eyed Peas - ElevationBLACK EYED PEAS
Elevation
Epic


Es ist schon erstaunlich, wie transparent bei einer Band wie den Black Eyed Peas Jahr 2022 eine gewisse Art von kommerziellem Zynismus geworden ist, der sie immer mehr in die kreativ befreite Vorhölle des Pitbull-Reggaetón abrutschen lässt. Wobei das eigentlich krasse daran ist, wie sie rein musikalisch trotzdem nicht scheiße werden. Schon beim Vorgänger Translation beobachtete ich dieses Phänomen mit einigem Interesse, hier ist es zwei Jahre später nun wieder zu erleben. Zwar muss ich der Fairness halber sagen, dass Elevation songwriterisch etwas nachlässt und auch nicht mehr ganz so fette Hits liefert, Songs wie Double D'z, Get Down, Don't You Worry und Audios sind aber trotzdem nicht von schlechten Eltern. Und das obwohl alle kompositorischen Entscheidungen hier absolut vorhersehbar ist, die Hälfte davon ohnehin bei anderen geklaut wurde, die Produktion wahnsinnig steril geraten ist und so gut wie jedes weibliche Feature nur ungenügend den Eindruck kaschiert, dass die Peas von 2022 eine Fergie zu wenig in ihren Reihen haben. Ich würde an dieser Stelle nicht so weit gehen zu sagen, dass diese Band kein schlechtes Album machen kann, denn das haben sie zuvor definitiv gemacht, doch ist es kurios, dass ausgerechnet diese Musik des emotionalen Vakuums und der zusammengeklauten Zitate für sie so fantastisch funktioniert. Und das hier nicht zum ersten Mal.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




DERYA YILDIRIM & GRUP ŞIMŞEK
DOST 2
Les Disques Bongo Joe

Derya Yıldırım & Grup Şimşek - Dost 2Über die erste DOST-Platte von Derya Yıldırım hatte ich letztes Jahr noch gemeckert, dass sie ja auch nur ein weiteres Abziehbild der Marke Anatolischer Retrorock-Pastiche sei, die man schon seit Jahren von Altın Gün kannte und meinte damit eigentlich, dass jedes Album aus dieser Nische momentan so klingt. Mit Teil Zwei hat die Band aus Hamburg jetzt aber gezeigt, dass das keineswegs der Fall sein muss. Mit etwas stärkeren Tendenzen aus nostalgischem Prog und Folk sowie einer angenehmen Langsamkeit zaubert DOST 2 doch noch einen ganzen Haufen coole Tracks aufs Parkett, die natürlich das Beste aus retrofixiertem Turkopsych auffahren, aber eben auch den entscheidenden Schritt weiterdenken. Auch wenn der am Ende noch so klein ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 08/11



WAU WAU COLLECTIF
Mariage
Sahel Sounds

Wau Wau Collectif - MariageIch hätte letztes Jahr beim Debüt des Wau Wau Collectif genauer hinhören müssen, denn dass sich hier etwas sehr besonderes anbahnt, war dort von der Sache her schon abzusehen. Mit Mariage macht der Verbund von Musiker*innen aus Senegal und Schweden nun aber definitiv das Album, das mich mit letzter Sicherheit davon überzeugt. Dass der Name Kollektiv für diese Art von Projekt der passendere ist als 'Band' oder 'Formation' ergibt sich dabei schon allein klanglich, wo Hiphop in einem Moment auf instrumentale Passagen, Kinderreime und mystische Spoken Word-Erzählungen im nächsten trifft. Das macht Mariage zwar nicht unbedingt zum kohärentesten Album, es ist aber eines der sehr wenigen, dem ich diesen Makel in keinem Moment übel nehmen kann. Ganz einfach deshalb, weil es seine Vielfalt so transparent macht und dann entsprechend auch richtig viele tolle Ideen hat, die es zu einem kreativen Füllhorn an Sounds machen. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


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