Montag, 9. Dezember 2019

150 Lieblingssongs 2010-2019



Am Ende konnte ich eben doch nicht widerstehen. Ich hätte es ehrlich gesagt auch bereut, hätte ich eine solche Liste dieses Jahr nicht noch gemacht. Nicht weil es Pitchfork und Noisey machen oder ich mich in irgendeiner Weise dazu verpflichtet fühle, sondern weil die Frage danach eigentlich schon seit Jahren besteht: Was waren denn jetzt wirklich die besten Sachen der letzten Dekade? Welche haben sich bei mir eingeprägt, welche verbinde ich mit irgendwas und welche haben meine Hörgewohnheiten nachhaltig verändert? Ganz ehrlich: Hätte ich jeden Song, den ich in den vergangenen zehn Jahren gut fand hier gelistet, hätten 150 Picks bei weitem nicht gereicht. Diese 150 sind letztendlich die, die bei mir auch langfristig hängengeblieben sind. Diejenigen, zu denen ich immer wieder zurückkehre und die, die ich in dieser Zeit wahrscheinlich auch am häufigsten gehört habe. Das bedeutet in allererster Linie vor allem, dass diese Liste komplett subjektiv ist. Ich habe hier weder versucht, die erfolgreichsten noch die einflussreichsten Tracks herauszufinden und dass viele objektiv beziehungsweise für euch vielleicht sehr wichtige Nummern hier fehlen, nehme ich damit in Kauf. Es heißt Lieblingssongs, nicht beste Songs. Des weiteren habe ich mich dazu entschieden, das ganze wie üblich nicht als Ranking zu gestalten, weil es vor allem darum geht, zum Nachhören anzuregen. Euch entweder auf Stücke zu stoßen, die ihr noch nicht kennt, die ihr lange nicht gehört habt (einige Sachen sind ja gefühlt schon hundert Jahre her) oder die vielleicht auch eure Favoriten sind. Und falls ihr euch das gerade fragt: Ja, eine Liste mit Alben kommt demnächst auch noch 😉.

2010: the Arcade Fire
Ready to Start
Auf the Suburbs ist Ready to Start zwar nicht ganz der erste Song, aber gefühlt ist er auf jeden Fall der, der dem Album die Zündschnur legt. Als brachialer (Quasi-)Opener für das bis heute rockigste Album der KanadierInnen ist er nicht nur tonangebend, sondern auch ein Riesenhit für sich, der der Indieband nun definitiv den Weg ins Stadion ebnet, ohne die Biegungen und Kanten aufzugeben, die Arcade Fire ausmachen. Nur konsequent also, dass das zugehörige Musikvideo die Live- statt die Studioversion zur Untermalung bekommt.   Anhören


2010: the Drums
Book of Stories
Man sprach schon von einem Surf-Revival, als die Drums 2010 mit ihrem genialen Debüt und diesen herrlichen Pop-Melodien zwischen den Beach Boys und the Cure die Bühne betraten. Der Hype darum fühlt sich zehn Jahre später ziemlich albern an, zumindest bis man sich Book of Stories, die große Single von damals, nochmal anhört und sich dann doch wieder fragt, warum aus dieser Band nichts geworden ist. Anhören




2010: Vampire Weekend
I Think Ur A Contra
Bis heute bin ich der Ansicht, dass Balladen nicht die Stärke von Vampire Weekend sind und auch nie waren. I Think Ur A Contra bildet als abrundender Closer ihrer zweiten LP die schillernde Ausnahme. Einfach aus dem Grund, weil die Band hier eben nicht aufgrund des Song-Charakters auf den ganzen bombastischen Schnickschnack verzichtet, der ihre Musik damals so genial machte. Was schließlich dazu führt, dass er einer der wenigen Songs ist, die mir von Contra bis heute in Erinnerung bleiben. Anhören


2010: Sioum
Pillars
Wenn ich Sioums Debüt für eine Sache schätze, dann die Ausgewogenheit, die die Band hier zwischen technischer Finesse und kompositorischem Gespür herzustellen vermag. Und kein Song repräsentiert diese Balance so gut wie Pillars, das auf der einen Seite polyrhythmisches und spielerisch hochkomplexes Prog-Monster ist, auf der anderen aber auch tierisch groovt und eine starke Melodie für sich beansprucht. Eine große Kunst, die viele Bands mit dem Know-How von Sioum leider nicht mehr hinkriegen. Anhören


2010: Tame Impala
Desire Be, Desire Go
Ich brauchte im Frühjahr 2010 wenig mehr als die zehn Sekunden Intro von Desire Be, um zu wissen, dass dieser Typ namens Kevin Parker keine gewöhnliche Musik macht. Es war vielleicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich Psychedelic Rock nicht nur als theoretisches Konzept erlebte, sondern als spürbaren Dopaminschub, ausgelöst von der vielleicht besten Wall of Sound aller Zeiten. Und es funktioniert immer noch, zumindest mit diesem Song. Anhören



2010: Gorillaz feat. Bobby Womack & Sinfonia Viva
Cloud of Unknowing
Cloud of Unknowing ist nur vielleicht der beste Song auf Plastic Beach und einer von vielen auf der LP, die mich nach wie vor extrem berühren. Vor allem ist es aber auch der letzte richtig große Auftritt von Bobby Womack, der vergessenen Soul-Legende, die Damon Albarn für dieses Album wiederentdeckte und die leider nur drei Jahre später an Darmkrebs starb. Hier erlebt man ihn noch einmal auf seiner künstlerischen Höhe als melancholische Schlussnote eines großartigen Albums und als das gigantische Talent, das er war. Anhören


2010: Kanye West
Power
Vielleicht Kanyes Wests größter Rockstar-Moment. Nicht nur wegen der großkotzigen Attitüde und dem Stadion-Feeling, sondern vor allem weil er hier auch ein bisschen Rockmusik macht. Das dreist platzierte King Crimson-Sample, diverse live eingespielte Instrumente und gleich mehrere Gitarrensoli machen Power zu so viel mehr als einem Rap-Titel und vielleicht zum definierenden Track des Über-Albums My Beautiful Dark Twisted Fantasies, mit dem Ye einmal mehr beweist, dass er gut rappen kann, aber als Produzent noch wesentlich mehr drauf hat. Anhören


2010: Japanese Voyeurs
Milk Teeth
Den kurzen Moment, den die Japanese Voyeurs 2010 in der Rockpresse hatten, hatten sie auch nur deshalb, weil sie ihre komplette Identität so dreist von Hole und L7 abschauten und man deshalb über sie spotten konnte. Tatsächlich war ihr Debütalbum damals aber gar nicht verkehrt und die Leadsingle Milk Teeth hat bei mir bis heute Zeit überdauert, weil er abgesehen von allen Kopismen dann doch ziemlich ballert und eine unfassbar gute Hook hat. Grunge kommt deswegen trotzdem nicht zurück. Anhören


2010: Bag Raiders
Way Back Home
Es gab Anfang dieses Jahrzehnts ein kurzes Zeitfenster, in dem man sich darauf verlassen konnte, dass der Song, der jeweils in der neuesten TV-Werbung von Vodafone (duh!) lief, ein paar Wochen später in den Top Ten auftauchte. Die Bag Raiders schafften es mit Way Back Home zwar nur auf Platz 17 und beendeten glücklicherweise jenen seltsamen Trend, der Track an sich war aber ziemlich genial und gehört für mich zu den großen vergessenen Hits der letzten zehn Jahre. Anhören



2011: Mogwai
Music for A Forgotten Future (the Singing Mountain)
Eigentlich als Auftragsarbeit für eine Austellung komponiert und gar nicht für die Platte gedacht, landete Music for A Forgotten Future dann doch irgendwie noch auf der Deluxe-Version von Hardcore Will Never Die But You Will und man kann Mogwai dafür am Ende nur dankbar sein. Der 23-minütige Longtrack ist eines der absoluten Highlights ihrer Karriere und das sicherlich schönste Produkt ihrer turbulenten Umbruchsphase Anfang des Jahrzehnts. Anhören



2011: Woodkid
Iron
Dass Yoann Lemoine eigentlich Filmemacher ist, merkt man seiner bis heute größten und wichtigsten Single Iron in jeder Faser an. Selten waren in der Popmusik vier Minuten so epochal und ausladend wie hier und es fällt schwer, irgendwo Songs zu finden, die vergleichbar bombastisch zeitgenössischen Mainstream und Neoklassik verbinden. Sogar Woodkid selbst hat es nie geschafft, künstlerisch an diesen Titel anzuknüpfen und macht inzwischen lieber wieder Filme. Iron aber bleibt bisweilen eine Singularität, die so erstmal jemand nachmachen muss. Anhören


2011: Death Grips
Beware
Mir waren Death Grips eigentlich ziemlich egal, bis ich eines Tages (lange nach Veröffentlichung) doch zum ersten Mal diesen Song hörte und plötzlich bescheid wusste, was der ganze Hype sollte. Beware ist der perfekte Einstieg in die Diskografie der Kalifornier, der einem Angstschauer über den Rücken laufen lässt: Das grantige Charles Manson-Snippet, der von Jane's Addiction gesamplete, völlig kaputte Beat und vor allem MC Rides eröffnende Strophe hier sind das Tor in die verkommene, schauderhafte Welt dieser Band. Und einmal drin kommt man nur schwer wieder raus. Anhören


2011: Fleet Foxes
Lorelai
Eigentlich könnte so gut wie jeder Song von Helplessness Blues hier stehen und einer davon reicht auch bei weitem nicht aus, die Großartigkeit dieses Albums zu repräsentieren, doch wenn es eine Art guten Single-Moment darauf gibt, dann ist es wahrscheinlich  Lorelai. Hier gibt es nämlich dieses herrlichen Vokalsätze, die einer der großen Selling Points dieser LP sind und auch lyrisch ist das einer der Tracks, die am besten das Gefühl von Helplessness Blues vermitteln. Die anderen elf hier zu listen wäre zwar fair, würde aber den Rahmen sprengen. Anhören


2011: Arctic Monkeys
She's Thunderstorms
Es gibt definitiv größere Hit-Momente in der Diskografie der Arctic Monkeys, aber She's Thunderstorms hat sich bei mir irgendwie bewährt. Hauptsächlich liegt das an einem der besten Texte, die jemals aus der Feder von Alex Turner hervorgingen und der Art, wie cool dieser Typ einen Lovesong formulieren kann. Triefend erotisch und fast fetischisierend, dabei aber kein bisschen creepy, sondern irgendwie noch mit der Niedlichkeit, die Jahre zuvor 505 so großartig machte. Ein wunderbarer Balanceakt, der für mich zu den Highlights dieser Band gehört. Anhören


2011: Metronomy
the Bay
Es gibt definitiv Songs von Metronomy, die eingängier, fetziger oder melodischer sind und viele ziehen bis heute das fluffige the Look als Vorzeigesingle der Briten vor, doch mein Herz schlägt noch immer für den kantigen, unterkühlten New Wave-Groove von the Bay. Er ist das beste Beispiel dafür, wie diese Band es schafft, hochgradig experimentelle Ansätze zu grandiosen Pop-Erlebnissen hinzubiegen, wenn sie Lust dazu hat. Ganz nebenbei vielleicht auch der Song mit dem besten Musikvideo der letzten zehn Jahre. Anhören


2011: Smith Westerns
Weekend
Für mich hatten die Smith Westerns schon immer alle Qualitäten einer guten Boyband: Sänger Cullen Omori ging damals als veritabler Teenagerschwarm durch (ich spreche aus Erfahrung), das Trio harmonierte gesanglich sehr gut und wenn dann noch Singles wie Weekend kamen, war das Klischee perfekt. Was leider Gottes immer so ein bisschen gefehlt hat, war das entsprechende Publikum, weshalb die mittlerweile aufgelöste Band aus Chicago bis heute ein Geheimtipp für Liebhaber*innen großer Kitschmomente im Indierock bleibt. Äußerst unverdient, wie ich finde. Anhören

2011: Casper
Michael X
Es ist der ergreifendste Moment eines jeden Casper-Konzerts, wenn mittlerweile einige Zehntausend Menschen das isolierte "Sandra liebte dich auch" aus der zweiten Strophe von Michael X skandieren und einem ganz kurz das Herz in die Hose rutscht. Und ja, dieser Track ist ein Schlag in die Magengrube, aber gerade deswegen bis heute auch mein Lieblingssong von Casper. Weil er nicht nur heftig und unfassbar persönlich ist, sondern vor allem auch ein ernst gemeinter Tribut an jenen Michael, dessen Geschichte jetzt ganz Deutschland kennt. Anhören


2011: Radiohead
Lotus Flower
Was von Lotus Flower wohl ewig im kollektiven Online-Gedächnis der Menschheit bleiben wird ist dieses alberne Tanzvideo, und ich finde das ehrlich gesagt ein bisschen unfair. Klar, das Video ist schon ganz schön bescheuert, aber der Song dahinter ist einer der besten der Radiohead-Diskografie. So viele klangliche Details und kompositorische Geniestreiche finden sich hier, dass ich nach neun Jahren immer noch neue Dinge entdecke. Und für so viel verschrobene Sperenzchen ist das Ding am Ende ganz schön eingängig. Eine unterschätzte Perle der Briten und ein frühes Opfer viralen Schwarmhumors. Anhören

2011: Tyler, the Creator
Yonkers
Für mich wie für viele andere war Yonkers 2011 die erste Begegnung mit Tyler und wie viele andere wusste ich erstmal nicht, was das hier eigentlich sollte. Die Bars hier sind großartig, ergeben aber nur selten irgendeinen Zusammenhang und zeichnen insgesamt das Bild eines künstlerischen Charakters, das genausogut zu einem Serienmörder gepasst hätte. Im Zeitkontext betrachtet ist es ein Song, ohne den Tyler, the Creator, wie wir ihn heute kennen nicht existieren würde und der den Grundstein für eine einzigartige Karriere legte. Ein bisschen Angst kriegt man trotzdem immer noch. Anhören

2011: M83
Outro
Es ist fast schon wieder nervig, das Outro von M83s Über-Album Hurry Up, We're Dreaming als großartigen Track abzufeiern, weil das in den letzten neun Jahren gefühlt schon jeder zweite Filmsoundtrack übernommen hat. Aber warum auch nicht? Wenn dieser Song eines ist, dann unfassbar cineastisch und selbst drei Staffeln Versailles haben es nicht geschafft, das epochale Soundgewitter der Franzosen abzunutzen. Was gut ist, denn für manche Sachen in dieser Dekade war Outro eigentlich viel zu schade. Anhören


2011: José Padilla & Kirsty Kreach
Dragonflies
Ich weiß bis heute nicht, wer José Padilla und Kirsty Kreach überhaupt sind und wie ich damals auf diesen Track aufmerksam wurde, doch er hat sich in den letzten Jahren als eine Art ultimativer Sommerhit in mein Hirn zementiert. Die federleichte Shoegaze-Nummer dieser zwei InterpretInnen braucht in meinen Augen deshalb noch immer ein bisschen Starthilfe von allen seiten, denn knapp 100.000 Youtube-Klicks in neun Jahren sind echt nicht viel. Also am besten jetzt direkt Anhören.



2011: Thees Uhlmann
Römer am Ende Roms
Auf der selbstbetitelten Platte noch ein unscheinbarer Deep Cut, hat sich Römer am Ende Roms inzwischen zum absoluten Live-Standard von Thees Uhlmann entwickelt, mit dem der Niedersachsen-Springsteen gerne mit Mundharmonika veredelt seine Sets beginnt. Eines der besten Beispiele für einen Track, der erst auf der Bühne laufen gelernt hat und mittlerweile einige der größten Uhlmann-Hits in den Schatten stellt. Anhören




2011: Justice
Audio, Video, Disco
Still und heimlich haben Justice in den letzten zehn Jahren den abklingenden Hype um genutzt, um ein paar der größten Hits dieser Periode zu zaubern. Zum Titeltrack ihrer zweiten Platte kann man nicht unbedingt so gut abtanzen, dafür hat er einen unfassbar treibende Melodik und eine geniale klangliche Tiefe, die mit viel analogem Instrumentarium verstärkt wird. Hier zeigt sich einmal das Ausmaß des kreativen Geistes der Franzosen, die leider noch immer zu oft auf ihre zwei ollen Radiohits reduziert werden. Anhören


2011: Florence + the Machine
Shake It Out
Florence Welch hat in den letzten zehn Jahren jede Menge Songs geschrieben, die mir viel bedeuten. Doch der eine, der mir ganz besonders am Herzen liegt ist gleichzeitig ihr vielleicht größter Hit. Shake It Out ist ein euphorisch-bombastisches Mantra fürs durchhalten, weiterstürzen und Arsch hochkriegen, das sicher nicht nur ich in dieser Zeit das ein oder andere Mal gebrauchen konnte. Nicht nur ein supertolles Lied, sondern eines, dass in meinen Augen tatsächlich ein bisschen die Welt heilen kann. Anhören


2011: La Dispute
King Park
King Park war ein absoluter Wendepunkt für Hardcore-Punk in dieser Dekade und ist in seiner Gesamtheit noch immer so sensationell und emotional fordernd, dass er für La Dispute selbst zu einer Art Bohemian Rhapsody wurde: Der Song, der die Band zur kleinen Legende macht und nach dem man auf jeder Platte danach immer wieder gesucht hat. Gut, dass diese Jungs sich bisher dagegen entschieden haben, sich nochmal an einer derartigen Nummer die Zähne auszubeißen. Das würden weder sie noch ihre Fans überleben. Anhören


2011: Gotye
Bronte
Gotye macht eigentlich nicht wesentlich mehr, als die besten Ideen von Peter Gabriel zu klauen und daraus seine Songs zu schreiben. Und ab und zu gelingt ihm dabei ein echter Geniestreich. Somebody That I Used to Know wäre der naheliegende Kandidat, mein Favorit ist aber bis heute Bronte, der Closer des Platinalbums Making Mirrors. Vielleicht liegt das auch ein bisschen am extrem niedlichen Video, aber definitiv nicht ausschließlich. Anhören



2011: Lana del Rey
Video Games
Es war, als hätte sich eine Disney-Prinzessin irgendwie in die Realität verirrt, als ich Video Games damals zum ersten Mal sah. Das pittoreske Found-Footage-Video, die völlig aus der Zeit gefallene Musik und nicht zuletzt die Künstlerin selbst wirkten völlig absurd und irgendwie kaputt, aber hatten auch den Charme eines zurechtoperierten Pornostars nach drei Entzugskuren. Das Image, was damals geboren wurde ist inzwischen dreimal durch den Mainstream-Wolf genudelt, aber der Ursprung des ganzen ist noch immer genauso faszinierend wie vor neun Jahren. Anhören


2011: Sojus3000
Static Trance
Im Vergleich zu den instrumental verspielteren Sachen, die Sojus3000 mittlerweile schreiben, klingt Static Trance rückblickend etwas mühsam und behäbig, gerade das macht es aber mit den Jahren immer spannender. Ein ambienter, dann brachialer Doom-Post-Brecher, der in seiner Schwere eine unglaubliche Tiefe findet und damit ganz klar ein erstes Highlight in der Diskografie der Thüringer ist. Die Weltraum-Metapher spare ich mir an dieser Stelle mal ganz bewusst. Anhören



2011: Jay-Z & Kanye West
N🙊🙊🙊s in Paris
Als Watch the Throne 2011 erschien, war Skepsis angebracht: Wenn die beiden zu diesem Zeitpunkt wichtigsten Rapper der Welt eine Platte zusammen machen, gibt es viel zu verlieren. Spätestens seit diesem elementaren Track ist allerdings klar, dass die beiden eben nicht umsonst den Dicken markieren. N🙊🙊🙊s in Paris kombieniert die ehrwürdige Millionärs-Attitüde von Jay-Z optimal mit dem rebellischen Transzendenz-Spirit von Kanye und bleibt auch neun Jahre danach einer der fettesten Banger der Dekade. Anhören


2011: Macintosh Plus
リサフランク420 / 現代のコンピュー
Vaporwave war am Ende bei weitem nicht die große Underground-Revolution, mit der manche anfangs rechneten, trotzdem ist dieser Song mit Sicherheit einer der wegweisenden Momente dieser Dekade. Und nach allem was passiert ist, ist es beeindruckend, wie die Schnapsidee, einen Diana Ross-Track einfach ein bisschen langsamer und verhallter abzuspielen, noch immer als formidables Musikstück standhält, das ich für seine ganz eigene kreative Leistung schätze. Anhören



2012: Cloud Nothings
Wasted Days
Im Winter 2012 atmeten die Purist*innen in den Foren auf: Das ist ja sowas wie richtiger Punkrock! Mit Gitarren, Geschrei, einem Text über adoleszente Zeitverschwendung und das ganze von Steve Albini höchstselbst am Mischpult veredelt. Nur die knapp neun Minuten Spieldauer passten nicht so richtig, aber das konnte man den Cloud Nothings schon mal nachsehen. Schließlich hatten sie gerade die Rockmusik gerettet. Acht Jahre später erinnert sich kaum jemand an Wasted Days und die Band dahinter macht konsensualen Emorock. Ja nun. Anhören

2012: Grimes
Oblivion
Als Grimes mit diesem Song 2012 die Bühne der Öffentlichkeit betrat, war sofort klar, dass diese Frau aus Vancouver so viel moderner, talentierter und cooler ist als die gesamte Berliner Elektroszene und man konnte sich nur vorstellen, was innerhalb weniger Jahre aus ihr werden würde. Dabei ist Oblivion einer dieser Tracks, die man als fluffigen Elektro-(damals noch "Witch House")-Chillout-Vibe versteht, der tatsächlich aber von der sehr realen Angst handelt, nachts alleine durch Stadtparks zu laufen. Auch in dieser Hinsicht war Grimes ihrer Zeit voraus. Anhören


2012: Lykke Li
I Follow Rivers (the Magician Remix)
Menschen, die cool sein wollen, behaupten ja immer, der Remix von the Magician hätte I Follow Rivers ruiniert, dabei macht er den Song in Wahrheit zehnmal besser. Aus dem etwas schmalbrüstigen Indiepop-Track der Schwedin wird hier ein Bilderbuch-Exemplar für gut gemachte Housemusik ohne die nervigen Parameter, die House zu diesem Zeitpunkt oft hatte. Und klar wird die Nummer gerade deshalb bis heute totgedudelt, aber noch ein paar Jahre Schonzeit, dann ist sie hoffentlich rehabilitiert. Anhören



2012: Frank Ocean feat. André 3000
Pink Matter
Wenn man mich fragt noch immer der beste Song, den Frank Ocean bisher gemacht hat. Und auch wenn der Rest von Channel Orange nicht sooo fantastisch gealtert ist, Pink Matter bleibt jedes Mal faszinierend: Franks gesangliche Nuancen, ein geniales Feature von Andre 3000 und eine unfassbar detaillierte, pointierte Abmischung machen diese Nummer zum epischen Closer des Debüts und zeigen selbst einem Ocean-Skeptiker wie mir, was dieser Typ drauf hat, wenn er will. Anhören



2012: Alt-J
Taro
Ich habe es mittlerweile ein bisschen aufgegeben, dass Alt-J jemals wieder einen Song in der Stärke von Taro schreiben werden. Dieser eine Track ist die absolute Perfektion ihres gesamten musikalischen Konzepts, gleichsam eingängig wie verwirrend, episch und doch mit den typisch kauzigen Elementen der Briten, alles in allem ein einmaliges Klanggebilde. Es ist die perfekte Schlussnote ihres Debüts und nach acht Jahren sicherlich der Song, der am meisten dafür sorgt, dass diese Band immer noch Fans hat. Anhören


2012: Tame Impala
Elephant
Elephant ist vielleicht der letzte richtige Rocksong von Kevin Parker und als solcher mit Sicherheit der rockigste. Der unglaublich fette Groove, der sich als kompositorisches Hauptmotiv durch die dreieinhalb Minuten schiebt, ist nochmal ein großzügiges Geschenk an die Fans der Gitarrenband Tame Impala, bevor der Song im Mittelteil quasi symbolisch in einen psychedelischen Synthpop-Jam umkippt und den Bruch andeutet, der sich bei den Australiern ab hier vollzieht. Ein bisschen schade, denn über ein paar mehr solche Stampfer hätte ich mich definitiv gefreut. Anhören


2012: Hop Along
Tibetan Pop Stars
Hätten Hop Along sich 10, 20 oder 30 Jahre früher gegründet, wären sie heute vielleicht ein Klassiker in den Lehrbüchern des Indierock. Ihr musikalischer Ansatz ist so erfrischend und unkonventionell, wie man es selten hört und wie beispielsweise Tibetan Pop Stars zeigt, haben sie auch die kompositorsichen Skills um diese Art von unsterblichen Songs zu schreiben, die man auch in 5 Dekaden noch hören kann. Leider interessiert sich 2012 wie heute niemand für Indierock, weshalb Hop Along wohl noch sehr lange eine Nischenband bleiben werden. Anhören


2012: Title Fight
Secret Society
Es scheint erstmal ungewöhnlich, dass gerade Title Fight, die etwas emo-shoegazigen Melodiker der Wave-Bewegung, das vielleicht fetteste Hardcorepunk-Brett der Dekade gezimmert haben, andererseits ist es auch nur logisch. Denn im Gegensatz zu den meisten Szene-Gespenstern ist diese Band sich nicht zu schade dafür, eine gescheite Hook zu schreiben, ordentlich Groove zu buttern und am Ende sogar ein flashiges Gitarrensolo zu performen. Und spätestens wenn im zweiten Teil nochmal die Reprise der ersten Strophe kommt, dürfte selbst das verstockteste Moshpit-Publikum nicht mehr stillhalten dürfen. Anhören

2012: Godspeed You! Black Emperor
We Drift Like Worried Fire
Neben der großkotzigen A-Seite Mladic vom 2012er-Godspeed-Comeback wirkt die B-Seite We Drift Like Worried Fire manchmal etwas mickrig, weil sie nicht mit so großen Gesten und krassen Dynamiken spielt, tatsächlich ist sie auf Allelujah! Don't Bend, Ascend! aber das größere Gesamtkunstwerk mit den schöneren Motiven, der eleganteren Komposition und einem Finale, das noch weiter in den Himmel greift als so mancher Track auf Skinny Fists. Vielleicht sogar mein heimlicher Lieblingssong der Kanadier. Anhören


2012: the Joy Formidable
This Ladder is Ours
2012 waren the Joy Formidable noch nicht die ausgelaugte Konsensrock-Band, die klingt wie jede zweite andere, sondern ein aufstrebender Newcomer-Act mit der deutlichen Ambition, große Musik zu schreiben. Kein Song macht das so deutlich wie This Ladder is Ours, der mit messerscharfen Riffs, einer elektrisierten Ritzy Bryan und sogar einem üppigen Streicherpart ihr zweites Album eröffnet und zeigt, dass diese Band noch weit nach vorne will. Vielleicht ein bisschen zu früh das Pulver verschossen, denn danach kam nur noch wenig überzeugendes. Anhören


2013: A$ap Ferg ft. A$ap Rocky
Shabba
Für einen Beat wie den von Shabba würde heute jede*r Rapper*in über Leichen gehen, 2013 brauchte es allerdings einen Weirdo wie A$ap Ferg um diesen massiven Snugsworth-Brocken an den Mann zu kriegen. Gut so, denn auch seiner komplett abgefahrenen Performance ist es zu verdanken, dass dieser Track für mich einer der definierenden Trap-Momente der letzten Dekade war. Und bis heute auch der Song, den ich unter dem Begriff "Banger" gern bei Wikipedia verlinken würde. Anhören



2013: Vampire Weekend
Diane Young
In meinen Augen der letzte richtig geniale Track von Vampire Weekend vor der großen Sinnkrise auf dem folgenden Album. Hier kreieren die New Yorker noch einmal einen Höhepunkt ihres großartig naiven Stilclash-Songwritings mit Surfgitarren, Pitchshifting-Gesang, Glitch-Synths, Drehorgel und jeder Menge Unfug. Diane Young ist die letzte große Abrissparty vor dem leider unaufschiebbaren Reifeprozess dieser Band, doch es reicht einmal diesen Song zu hören, um es zu bedauern, dass Vampire Weekend erwachsen werden mussten. Anhören


2013: Haftbefehl
Chabos wissen wer der Babo ist
Gerade mal sieben Jahre ist der Track alt, aber seine Tragweite ist jetzt schon schwer zu glauben. In doppelter Hinsicht: Einmal ist es der Song, der Haftbefehl vom Untergrund in den Mainstream katapultiert und seinen persönlichen Stil dort felsenfest verankert, zum anderen ist Chabos vielleicht der Wegbereiter für die aktuelle Chart-Dominanz von Deutschrap an sich. Und eine Sache, die es im Hiphop auch eher selten gibt: er ist zeitlos. Die Zutaten für einen Klassiker sind also alle da. Den Rest erledigt jetzt die Zeit. Anhören


2013: Moonface
November 2011
Julia With Blue Jeans On von Moonface ist ein wahres Konzeptalbum über Spencer Krug, der sein Leben als halbwegs erfolgreicher Indiekünstler aufgibt, und um die halbe Welt zu umzieht um mit seiner Freundin in Finnland zu leben. Krug selbst braucht eine knappe Stunde, um diese Geschichte in 12 Song zu erzählen, der Kernpunkt der ganzen Sache wird aber auf großartige Weise bereits im vierten Track der Platte abgehandelt, der gleichzeitig auch der romantischste von allen ist. Anhören



2013: Chvrches
the Mother We Share
Man muss ehrlicherweise sagen, dass die Hitmaschine Chvrches auf ihrem Debüt von 2013 noch etwas klapprig lief und später wesentlich besser darin wurde, Gesamtwerke zu schaffen. Ihre in meinen Augen größte Single the Mother We Share haben sie aber bereits auf besagtem Album geschaffen. Sie hat all die großartigen Pop-Parameter, die sich die SchottInnen eigentlich erst in ein paar Jahren so richtig trauten und als Sahnehaube auch noch eine sehr inspirierende Botschaft über Liebe und Vertrauen, die mich immer noch mehr catcht als die deftigste Hook. Anhören


2013: Foxygen
San Fransisco
Wenn es um nostalgischen Sixties-Pop geht, kann man sich bei Foxygen darauf verlassen, dass sie den Bogen stets ein klein wenig überspannen und ordentlich auf die Kitsch-Tube drücken. Nicht immer geht das gut, aber im Falle von San Fransisco ist das Ergebnis einer der süßesten Popsongs der Dekade. Mit mächtig Gloss in der Postproduktion und einem verkitschen Hippie-Vibe, der selbst Scott McKenzie finster aussehen lässt, machen Foxygen hier das, was sie am besten können: Zu viel. Und in diesem Fall niemals genug. Anhören


2013: Kanye West
Bound 2
Yeezus ist in dieser Dekade eines der schwierigsten Album von Kanye West mit wenigen wirklich guten Songs, doch wenn einer davon heraussticht, dann der Closer Bound 2. Unter all den Songs auf dieser LP habe ich hier tatsächlich das Gefühl, etwas über den Künstler zu erfahren (auch wenn er hier wieder mal sehr überspitzt rüberkommt) und die Art, wie er seine kaputten Baziehungen beschreibt, ist einerseits sehr menschlich, andererseits auch sehr Kanye. Und natürlich strahlt er hier wieder mal als visionärer Produzent und Sampling-Wunderkind. Anhören


2013: Behemoth
Blow Your Trumpets Gabriel
Blow Your Trumpets Gabriel war im Winter 2013 der Moment, wo Behemoth plötzlich als dieses großspurige Riesenphänomen mit gigantischer Produktion und oscarreifen Musikvideos daherkamen und man erstmal gar nicht wusste, wie einem geschieht. Was aber damals der wirklich große Unterschied war, ist dass sie zu diesem Zeitpunkt auch ihr bisher bestes Songwriting hatten und hier einen Track präsentieren, der diesem epischen Ausmaß des ganzen Drumherums gewachsen ist. Letzteres war danach nämlich eher selten der Fall. Anhören


2013: Arctic Monkeys
Do I Wanna Know?
Wieder mal einer dieser Arctic Monkeys-Songs, der hier nicht stünde, wäre Alex Turner nicht einer der Ausnahme-Lyriker der letzten (und vorletzten) Dekade. Letztendlich ist Do I Wanna Know? musikalisch ja nicht mehr als ein sehr gut von Josh Homme abgeschauter Track, allerdings könnte dieser niemals einen Text dazu schreiben, der so wahrhaftig das Ende einer Beziehung abbildet, mit allem Dreck und Rotz und Ekel. Bis jetzt einer der letzten richtig großen Rocksongs der Arctic Monkeys. Anhören


2013: Vance Joy
Riptide
Riptide wird gerade einer dieser Songs, den jeder Depp mit einer Ukulele auf einer Party zu spielen anfängt und schon seit seiner Veröffentlichung hat der Track nicht gerade die beste Streetcred. Das nächste Wonderwall wird er aber schon deshalb nicht, weil Vance Joys Original einfach viel zu stark ist. Der Text ist extrem clever, die Produktion balanciert geschickt zwischen Singer-Songwriter-Ästhetik und großer Popmusik und auch eines der besten Musikvideos der Dekade trägt seinen Teil dazu bei, dass Riptide sich hart dagegen wehrt, beliebig zu sein. Anhören


2013: K.I.Z.
Ich bin Adolf Hitler
Im Gegensatz zu vielen finde ich den Output von K.I.Z., insbesondere im letzten Jahrzehnt, eher durchwachsen. Auf Ich bin Adolf Hitler zeigen sie sich aber nochmal so, wie ich sie immer gerne hatte: Mit unnachgiebiger Kopf-durch-die-Wand-Satire, extrem starken Punchlines, jeder Menge provokativer Attitüde und vor allem einem Song, der auch Spaß beim anhören macht. Erlebt man leider nicht mehr oft bei denen. Anhören




2013: Sigur Rós
Kveikur
Zwei mal fahren Sigur Rós auf ihrem letzten richtigen Album Kveikur aus der Haut: Einmal im brachialen Opener Brennisteinn, der schon als Leadsingle den Weg auf den Segeln nahm, das andere Mal auf dem Titeltrack, der im Mittelteil der LP das dunkle Tor ein weiteres Mal völlig unverhofft aufreißt, aus dem die Isländer am Anfang gekrochen sind. Und diesmal mit nachhaltender Wirkung. Kveikur ist inzwischen der einzige Song von der gleichnamigen LP, der live noch regelmäßig gespielt wird und wer einmal dabei war, weiß auch ganz genau, wieso. Anhören


2013: Deafheaven
Dream House
Wenn Metal in den letzten zehn Jahren sowas ähnliches wie einen Hit hatte, dann war es ganz sicher Dream House, der grandiose Opener des grandiosen Albums Sunbather von Deafheaven. Es gibt viele, die die Band mittlerweile auf diesen Song reduzieren, aber um ehrlich zu sein, wirklich übel kann man es ihnen nicht nehmen. Wenn es um reine Performance und um klangliche Reizanspielung geht, kommt eben nach Dream House nur noch wenig. Und egal wie gut Deafheaven bis jetzt noch sind, hier sind sie für immer am besten. Anhören


2013: Zugezogen Maskulin
Entartete Kunst
Auf dem gemeinsamen Debüt-Mixtape von Grim104 und Testo ist die Chemie zwischen den beiden zumeist noch etwas awkward und es gibt nicht die krassen Hit-Momente wie auf Alles brennt, aber in Entartete Kunst flammt das Genie der beiden schon mal für einen Moment auf. Auf dem Track formulieren sie so etwas wie einen Disstrack gegen Alles und Jede*n, der richtig schön Gift und Galle spuckt und genau die deftigen Punchlines hat, die ZM später so großartig machen sollten. Die ersten Zeilen des Parts von Testo sind von der Band selbst sogar noch immer unübertroffen. Anhören


2013: Migos
Versace
Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Versace Versace. Anhören


2013: Krobak
It's Snowing Like It's the End of the World
Für Postrock muss man mitunter ein wenig Geduld haben und gerade bei diesem herausragenden Zwölfminüter der ukrainischen Formation Krobak hilft ein wenig Ausdauer ganz besonders. Dafür bekommt man hier aber das All-Inclusive-Paket instrumentaler Einschmusung, die tatsächlich herrlich zum programmatischen Titel passt und gerade durch seine Trägheit und monumentale Schwere irgendwie dieses schneegestöberige vermittelt. Ein Song wie ein guter Arthaus Film: Langatmig, aber gerade dadurch kommt das Feeling. Anhören


2013: Damien Jurado
Silver Timothy
In seiner fast zwanzigjährigen Laufbahn ist es Damien Jurado kein zweites Mal gelungen, seinen leisetreterischen Indiefolk in so viel Groove, Schmiss und Psychedelik zu verpacken wie auf Silver Timothy, der Leadsingle seines grandiosen Meisterwerks Brothers and Sisters of the Eternal Son. Es ist dieser Song, der der Platte ganz am Anfang das Salz in die Suppe gibt und tatsächlich nicht nur sehr gut, sondern auch extrem catchy ist. Ein Experiment, das bei ihm leider auch nur dieses eine mal so gut geklappt hat. Anhören


2013: Bilderbuch
Plansch
In der musikalischen Renovierungsphase von Bilderbuch zwischen 2013 und 2015 wurden viele weirde Sachen ausprobiert, von denen nicht alle wirklich fruchteten. Plansch war einer dieser "Flops", der später nicht weiter verfolgt wurde, in meinen Augen ist es aber einer der besten Songs der Österreicher überhaupt. Der subtil sozialkritische Text, gepaart mit der strangen Dynamik zwischen Rock und Synthpop und der unglaublich fette Sound machten für mich in Summe einen der Gründe aus, warum ich diese Band überhaupt erst interessant fand. Anhören


2013: Edgar Wasser
Geldjunge
Einen Disstrack in eine Liste mit den besten Songs des Jahrzehnts zu machen ist sicher gewagt, sind die meisten Tracks dieser Kategorie Rap für gewöhnlich schon nach Wochen nicht mehr spannend und gehören selten zu den lyrischen Höhepunkten eines Künstlers. Nicht so bei Edgar Wasser, der auf diesem Stück von 2013 Money Boy zerlegt. Was dabei so faszinierend ist, ist die Tatsache, dass es dabei nie so klingt, als wäre dieser ein leichtes Ziel und er hier eben doch einen seiner besten Songs überhaupt macht. Eines der absoluten Schmuckstücke in der Diskografie von Edgar. Anhören

2014: Mogwai
Heard About You Last Night
Eine Sache, die Mogwai schon immer gut können ist, den Auftakt eines Albums zu perfektionieren, der bei ihnen auch stets sehr gut ohne großen Knall verläuft. Heard About You Last Night, mit dem die Schotten immer noch gern Livesets beginnen, ist ein besonders gutes Beispiel dieser Kunst: Mit einer unglaublichen inneren Ruhe streicht sich das grantige Gitarrenmotiv über Synthesizer und Glockenspiel, sodass man in Rave Tapes direkt erstmal komplett einsinkt. In Gänze dann leider eines der schwächeren Mogwai-Alben, aber der Startschuss stimmt. Anhören


2014: Clipping feat. Mariel Jacoda
Get Up
Get Up ist einer der Gründe, warum Clipping für mich trotz aller aktuellen Durchwachsenheit immer eine geniale Band bleiben werden: Ein extrem minimalistischer Song, der im wesentlichen über das Sample eines Radioweckers funktioniert, wird hier zur extrem eingängigen R'n'B-Nummer, während das lyrische Wunderkind Daveed Diggs eloquent wie selten jemand über den Lifestyle des Gangsterrap referiert. Nervtötend gemixt, klanglich genial ausbalanciert, ein Meisterstück der Unkonventionalität im Hiphop. Anhören


2014: Todo Para Todos
Tanzen
Die Platzierung hier ist ein bisschen getrickst, denn tatsächlich gab es eine Version des Songs bereits 2009, fünf Jahre später erschien er aber nochmal auf dem offiziellen Debütalbum von Todo Para Todos. Und er ist auch so ein bisschen schwierig: Der Mix ist extrem klobig und die Qualität lässt zu wünschen übrig, doch in der reinen Komposition des Tracks steckt ein Hardcorepunk-Riesenhit, der mich mit seiner Musik und seiner Botschaft trotz allem immer noch packt und eigentlich größer ist als man ihm das zugesteht. Anhören


2014: Mark Ronson feat. Bruno Mars
Uptown Funk
Mark Ronson kennt sich mit ziemlich genau drei Sachen aus: Guter Popmusik von früher, Leuten, die gut singen können und wie man einen Hit schreibt. Schon mit Amy Winehouse und the Business International hat er auf diese Weise große Songs geschaffen, Bruno Mars ist 2014 der nächste. Klar ist Uptown Funk ein Revival des Siebziger-Funk unter modernen Produktionsstandards und vielleicht sind hier und da ein paar Noten geklaut, aber Ronson macht daraus eine Ansage, die über der ganzen Nörgelei steht, weil sie einer der fettesten Hits der Dekade ist. Basta. Anhören


2014: Timber Timbre
Grand Canyon
Wenn ich Timber Timbres Musik auf dem Album Hot Dreams stilistisch einordnen müsste, wäre "amerikanischer Kitsch" wohl die treffendste Bezeichnung und kein Song geht in dieser Hinsicht so tief wie Grand Canyon. Nicht nur werden die sagenumwobenen Schauplätze des wilden Westens hier sehr direkt besungen, drumherum spinnt die Band auch die käsigste und pathetischste Country-Ballade, die ihnen einfällt, komplett mit Saxofonsolo, Westerngitarre und Hollywood-Streichern. Klanglich auf jeden Fall das großkotzigste, was Timber Timbre je veröffentlicht haben. Anhören


2014: Yung Bae & Natvnomvzik
Bae City Rollaz
Die 1983 veröffentlichte Single Bay City von Junko Yagami ist an sich schon ein ziemlich guter Popsong und dieser Track hier faktisch nicht viel mehr als ein Remix der Nummer. Als solcher schafft er aber, das Optimum dessen rauszuholen, was ein guter Remix leisten kann. In der Bearbeitung von Yung Bae und Natvnomvzik verzehnfacht sich das Tanzbarkeitslevel des Originals ungefähr und gibt der genialen letzten Hook den Raum, den sie schon seit dreißig Jahren verdient hatte. So gut kann Future Funk sein, wenn man die Sache richtig angeht. Anhören


2014: Sun Kil Moon
Truck Driver
"My uncle died in a fire on his birthday" gehört möglicherweise zu den finstersten Zeilen, mit denen man einen Song beginnen kann und gutmütig ist dieser Track weiß Gott nicht. Allerdings schildert Mark Kozelek hier doch sehr einfühlsam das Ableben seines Onkels und zollt seinem Leben auf eine sehr eigene Art und Weise Respekt. Eines der wenigen Stücke auf Benji, dem man irgendwie ein positives Resultat abringen kann und überhaupt eines, das mit einer Fülle an Gefühlen angereichert ist, die eigentlich zu viel für einen einzelnen Song sind. Aber auch deshalb so faszinierend. Anhören


2014: Edgar Wasser
Berchtesgaden
Edgar Wasser ist ein MC, der gute Stories erzählen kann, Disstracks zu Meisterwerken macht (siehe oben) und auch in der Cypher überzeugt. Berchtesgaden ist aber einfach nur zweieinhalb Minuten stumpfes Punchline-Gekloppe und vermutlich sogar besser als seine lyrischsten Tracks. Ob es als Parodie auf Traprapper gedacht war oder echte Stilfindung ist, lässt sich bis heute schwer sagen, auf jeden Fall schafft Edgar es hier großartig, einer ganzen Bewegung die Nase zu drehen und vielleicht den besten Troll-Rapsong der Dekade macht. Anhören


2014: Polis
Danke
Polis haben oft die Angewohnheit, ihre Texte mit so dermaßen viel methaphorischem Pathos anzureichern, dass man mitunter nur raten kann, worum es darin geht. Danke ist allem Anschein nach eine Hommage an geliebte Menschen, vielleicht auch eine ganz konkrete Person. Um wen auch immer es geht, die Plauener perfektionieren hier ihr esoterisches zusammenspiel von parareligiösen Lyrics auf deutsch, genialem Prog-Genudel, hippiesker Müsli-Attitüde und fantastischem Songwriting als Bindeglied. Anhören


2014: Die Nerven
Nie wieder scheitern
Nie wieder scheitern war im Februar 2014, als ich die Nerven zum ersten Mal für mich entdeckte, der Moment, in dem ich Gänsehaut bekam. Auf keinem Song zuvor und auf keinem danach erlebt man die Stuttgarter so unfassbar finster, so resigniert und so deprimiert wie hier und kein anderer drückt einem dieses Gefühl so unmissverständlich auf die Hörlappen. Die knapp fünf Minuten Song fühlen sich an wie mindestens acht und es ist eine Wonne, wie viel Dynamik und lyrische Schönheit die Band dafür verwendet, einem so effektiv schlechte Laune zu machen. Anhören


2014: Metronomy
Love Letters
Ein weiteres Meisterwerk von der Tragweite eines the English Riviera haben Metronomy nach 2011 nicht mehr gemacht, dafür hatte jede ihrer Platten bisher zumindest einen dieser Knaller-Ohrwurm-Hits, die manchmal Tage hängenbleiben. Love Letters heißt der auf dem gleichnamigen Album von 2014 und ist eine herrlich angeknackste Adaption von Motown-Do-Wop-Gruppen aus den Sechzigern, der aber auch jede Menge von Joe Mounts sehr eigenem Synthpop-Style in sich trägt. Auf jeden Fall aber eine der angänglichsten Hooks der damaligen Saison. Anhören


2014: Archive
Distorted Angels
Archive sind ganz allgemein eine dieser Bands, bei denen es echt schade ist, dass sie niemand mehr hört und die viel besser sind als ihr Ruf. Aber ganz besonders ist es schade, weil sie eben auch nach 20 Jahren noch Songs wie Distorted Angels schreiben, die so viel Kraft und Emotionalität in sich tragen wie am ersten Tag und die das Konzept Soul so viel besser verkörpern als so manche anderen Leute, die unter diesen Begriff fallen. Eine der epischsten Balladen dieser Dekade, die so viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Anhören


2014: Mastodon
High Road
Wenn es um die miesesten Thrash-Gitarrenbretter der Dekade geht, haben Mastodon mehrmals bewiesen, dass sie die absoluten Kings in dieser Kategorie sind. Ihr Meisterstück ist dabei mit Sicherheit dieser Song von 2014, der mit allem daherkommt, was ein fantastischer Metal-Song braucht: Ein fettes Riff (logisch), eine nicht minder grandiose Bassline, eine epochale Hook und ein vernünftiges Gitarrensolo. Bonuspunkte gibt es am Ende auch noch für das ziemlich geniale LARP-Musikvideo, das zeigt, wie gut diese Band auch den selbstironischen Plot-Twist meistert. Anhören


2014: Sharon van Etten
I Know
I Know wäre schon ein unfassbar schmerzhafter Song, wenn jemand nur den bloßen Text rezitieren würde, doch er wird umso schlimmer durch die Performance, die Sharon van Etten hier zum besten gibt. Alleine am Piano geht sie hier mit voller Inbrunst in jede Note dieses Lamentos über eine zerbrechende Beziehung und man erfährt erstmal, wie unglaublich viel Soul eigentlich in dieser Frau steckt. Ein Song zum Luft anhalten und Kloß im Hals kriegen. Ich weine nicht, du weinst. Anhören
 


2014: Alvvays
Archie, Marry Me
Auf dem Debüt von Alvvays ist Archie, Marry Me ohne Frage der größte Fanfavorit, was in meinen Augen zu mindestens achtzig Prozent an der Performance von Molly Rankin liegt. Klar ist der instrumentale Backdrop cool, aber den könnten auch Slowdive oder Beach House schreiben. Es sind die superchilligen, aber trotzdem extrem sehnsuchtvollen und schwer melancholischen Vocals, die das hier zu einem Track machen, bei dem mir jedes Mal wieder das Herz aufgeht. Und das, obwohl der Text eigentlich sehr wenig mit echter Romantik zu tun hat. Anhören


2014: Brontide
Knives
Was Brontide immer gut konnten, war die grundlegende Dynamik von Postrock-Songs sehr gut zu verstehen und so zu vereinfachen, dass sie quasi zu Popsongs wurden. Und dass Knives insgesamt acht Minuten lang ist, heißt am Ende auch nur, dass die Briten diesen Zaubertrick hier gleich mehrmals aus dem Hut holen. Das Ergebnis ist dabei extrem stimmungsvoll, groovig, atmosphärisch und steigert sich von einem geilen Moment zum nächsten. Einer dieser Tracks, deretwegen ich Brontide unfassbar gerne Mal live gesehen hätte. Anhören


2014: Adebisi Shank
Sensation
Dieser Song ist keine Musik, dieser Song ist Sport. Man kommt schon ins Schwitzen, wenn man einfach nur zuhört (insofern man dabei überhaupt stillsitzen kann), und wenn man sich vorstellt, wie dieser Groove tatsächlich von einer Band gespielt wird, stinkt das beste Workout dagegen ab. That said, Sensation ist unter anderem dadurch der optimale Track für jede Jogging-Playlist, der nicht nur Feuer unterm Hintern macht, sondern auch immer wieder mächtig Laune. Anhören



2014: Sojus3000
Barophobia
Das hier ist einer dieser Songs, für die es sich lohnt, diese LP auf Schallplatte zu besitzen. Denn wenn man diese nach dem lärmigen Elara auf die B-Seite dreht und die ersten Sekunden von Barophobia ausklingen, ist das schon ein besonderer Moment. Aber auch ohne die Magie des Vinyl ist es faszinierend, wie sich aus den eröffnenden Motiven das zweite Kern-Movement des Sojus3000-Debüts aufbaut und nochmal den Spirit zurückholt, den Sojus in der ersten Hälfte etablierte. Konzept-Nerds wie ich lieben diesen Trick! Anhören


2015: Thundercat
Them Changes
Als extraordinärer Sessionbassist mit den magischen Endlos-Fills war Thundercat schon der Hingucker auf diversen Platten des Brainfeeder-Labels sowie bei Kendrick Lamar oder Kamasi Washington. Erst auf diesem Song von 2015 zeigt der Kalifornier aber auch sein immenses Talent als Songwriter und Performer. Von allen Schönheiten, die die große neue Jazzpop-Welle der letzten Jahre mit sich brachte, ist Them Changes vielleicht mein persönlicher Favorit und der Track, der tatsächlich ein immenses Ohrwurm-Potenzial hat. Anhören


2015: Zugezogen Maskulin
Plattenbau O.S.T.
Es ist nicht ganz klar, wie viel von diesem Song Teile von Testos eigener Biografie sind, doch was der Stralsunder damit unbeabsichtigt schafft ist, die inoffizielle Hymne jedes deutschen Provinzjugendlichen in den letzten 30 Jahren zu schreiben. Es ist einer dieser Momente, in denen die Musik von Zugezogen Maskulin den postironischen Schlagaubtausch überschreitet und sich zwischen den Zeilen so etwas wie eine echte Message breit macht, die sich trotzdem selbst nicht zu ernst nimmt. Verdientermaßen bis heute der größte ZM-Fanfavorit. Anhören


2015: Hop Along
Waitress
Ab 2015 begannen Hop Along, eine dieser langweiligen Indiebands zu werden, von denen es vor ihnen schon zu viele gab, doch mit Waitress gelingt ihnen noch einmal ein echtes Schmuckstück. Es hat ungefähr 150 Prozent der Energie, die ich an ihnen immer so liebte und die starken Melodien in jeder Faser, die mit gigantischer Power und Emotionalität auf mich eindreschen. Frances Quinlan schreit hier nochmal richtig laut, bevor sie später selbst nicht mehr wollte und gibt alles für die Leadsingle eines Albums, dass schon der Anfang der Schnarchphase von Hop Along war. Anhören

2015: Tempel
Carvings in the Door
Carvings in the Door dürfte in seiner Ganzheitlichkeit der feuchte Traum eines jeden Metalheads sein. Achteinhalb Minuten lang ballern Tempel hier ein geniales Motiv nach dem anderen, die alle gespickt sind mit fantastischen Riffs, Soli, Breaks und diversen anderen Kleinigkeiten. Was mich daran bis heute begeistert ist der absolut makellose Klang dieses Tracks, bei dem man ausnahmsweise auch mal einen richtig guten Bass hört. Ein auslaugendes Gesamtkunstwerk von einem Metal-Klopper, der so viel Spaß macht wie sonst ganze Alben nicht. Anhören


2015: the Weeknd
Can't Feel My Face
Abel Tesfaye hat in diesem Jahrzehnt sein Vermächtnis als sehr erfolgreiche Falsett-Heulboje mit komischem Haarschnitt gemacht, die traurige Songs über reiche Playboys singt. Das ist aber egal, denn der größte Hit des Kanadiers bleibt ausgerechnet diese extrem schmissige Dancepop-Nummer über exzessiven Kokainkonsum, deren Ruhm ausnahmsweise mal absolut verdient ist. Can't Feel My Face ist ein großartiger Popsong mit mächtig Elan, der zeigt, was dieser Typ eigentlich auf dem Kasten hat. Leider warte ich bis heute auf den Song, der mir das nochmal bestätigt. Anhören


2015: Kendrick Lamar
King Kunta
Wenn To Pimp A Butterfly durchgehend so genial gewesen wäre wie King Kunta, wäre es vielleicht auch eine meiner Lieblingsplatten geworden. Der Song ist ein extrem eingängiger Banger mit unsterblichen Catchphrases, Punchlines und einer cleveren Hook, baut aber auch auf ein sehr diversifiziertes instrumentales Fundament und verweist in seinem Text auf Literaturklassiker, Politik und amerikanische Geschichte. Er ziegt, dass KDot, der Balanceakt zwischen Popstartum und Pulitzerpreis sehr wohl gelingt. Nur halt nicht immer. Anhören


2015: Torche
Minions
Ihren grundlegenden Ansatz, die Metalband zu sein, die auch die bestmöglichen Popsongs schreiben will, haben Torche immer wieder perfektioniert, am besten aber auf diesem Stück von 2015. Die Basis von Minions ist einer der stabilsten Sludge-Dampfwalzen-Grooves der Dekade, über den die Band dann aber auch eine echt angenehme Gesangsharmonie zaubern kann und damit der eigenen Monotonie keine Zuflucht lässt. Obendrauf ist das Ding dann auch noch unfassbar gut produziert, was die Nummer zum mit größten Nackenrüttler der letzten Jahre macht. Anhören


2015: Yung Hurn
Nein
Man kann ruhig mit dem Finger in alle möglichen Richtungen zeigen, aber wenn es nach mir geht, ist Nein daran Schuld, dass deutschsprachiger Trap 2019 im Mainstream stattfindet. Der zweiminütige Track ist sozusagen das 101 für alles, was es für einen Cloudrap-Hit damals brauchte: Einen exzellenten, ästhetisch ansprechenden Beat, extrem minimalistische Lyrics, ein alle typischen Visuals abcheckendes Video und nicht zuletzt Yung Hurns Charakter, der damals noch nicht sein eigenes Klischee war. Mit diesem Rezept ist von hier ab ist der Rest Geschichte. Anhören


2015: Tocotronic
Solidarität
Dass ein Song mit diesem Titel auf dem Roten Album von Tocotronic untergebracht ist, ist natürlich kein Zufall. Wobei Solidarität am Ende eigentlich weniger ein kämperisches Arbeiter*innenlied ist als eine Botschaft zum Beistand mit Schwächeren, der sehr viel unpolitischer gemeint sein kann. Dirk von Lowtzows Text lässt hier viel Spielraum für Einsatzmöglichkeiten dieses Tracks, wobei die Grundidee, dass man sich gegenseitig ungeachtet der Umstände hilft, schon ziemlich sozialistisch ist. Anhören


2015: Billy Woods
Warmachines
Oberflächlich gesehen könnte Warmachines mit seinem gemütlichen Saxofon-Sample als gediegene LoFi-Hiphop-Nummer durchgehen, doch wer sowas denkt, kennt Billy Woods schlecht. Der bearbeitet in den Lyrics nämlich das extrem unchillige Thema der Traumata, die Kriegsveteranen durchleben und die Art und Weise, wie Menschen durch Gewalterfahrungen entmenschlicht werden. Der Text formuliert dabei keine konkrete Botschaft, hinterfragt aber die Idee von Krieg an sich und warum Menschen für dermaßen abstrakte Ideale sterben und leiden. Ein heftiger Song, aber auch ein extrem starker. Anhören

2015: Godspeed You! Black Emperor
Peasantry or Light Inside of Light
Seit ihrer Reunion von 2010 haben sich Godspeed You! Black Emperor jenen iversen Postrock-Songwriting-Stil angewöhnt, bei dem ein Motiv zunächst als massiver Backenbrecher gespielt wird und sich dann zunehmend filigran ausfuddelt. Peasantry von 2015 ist der erste Song, bei dem diese Art von Aufbau richtig gut funktioniert und der dadurch von vorne bis hinten komplett actiongeladen ist. Gewaltig und verdröhnt im Anfang, ausladend im Übergang und mit einem herrlichen Streicherpart am Ende. Das einzige was mich stört sind die gerade Mal elf Minuten Spieldauer. Anhören


2015: Crack Ignaz
König der Alpen
Dieser bis heute YouTube-exklusive Non-Album-Track von Crack Ignaz ist unter Umständen das albernste und dämlichste, was der Österreicher in seiner Karriere bisher veröffentlicht hat. Dennoch: Wer König der Alpen nicht mag, in dessen Brust schlägt wahrscheinlich kein Herz. Und man kann mit Fug und Recht behaupten: Sowas wie er traute sich damals niemand im gesamten Deutschrap-Kosmos. Es sind eben auch manchmal solche Nummern, die stilistische Grenzen sprengen können und für mich ist es 2015 wie heute eine absolute Offenbarung. Anhören


2015: Tame Impala
The Less I Know the Better
Zumindest für mich ist Currents der endgültige Punkt, an dem es mit Tame Impala bergab ging, für diesen einen unsterblichen Song war die Platte aber dann doch noch zu haben. Zwar liegt der Erfolg von the Less I Know the Better zum größten Teil an der vielleicht besten Bassline der Dekade, ohne die dieser Track nichts wäre, doch was Kevin Parker drumherum aufbaut, ist auch nicht unbedingt übel. Außerdem eines der wenigen Tame Impala-Stücke, das ich auch vom Text her wirklich gut finde. Anhören



2015: Esmerine
Funambule (Deus Pas de Serein)
Als eine der coolsten Entwicklungen im Instrumentalrock dieser Dekade habe ich den massiven Einfluss von Folk-Elementen aus dem Nahen Osten empfunden, die gerade auch auf dem Constellation-Label sehr intensiv betrieben wurden. Den größten "Hit" aus dieser Sparte haben am Ende aber ziemlich eindeutig die Kanadier von Esmerine geschrieben, die hier in verhältnismäßig knappen acht Minuten eine Art Medley verschiedener Stil-Clashs abliefern, wobei ein Part geiler klingt als der nächste. In den besten Momenten kann man hierzu sogar ganz gut abdancen. Anhören


2015: Wanda
1,2,3,4
Schon sein 2013 sind Wanda aus Wien eine der größten Hitmaschinen des deutschsprachigen Pop und es wäre müßig, jeden guten Song hier zu listen, den sie seitdem veröffentlicht haben. Einer der aber definitiv sein muss ist 1,2,3,4, in meinen Augen der kreative Zenit der Band und in so ziemlich allen Belangen besser als der ewig kleinste gemeinsame Nenner Bologna. Zum einen, weil es hier tatsächlich mal eine größere lyrische Bildfläche gibt als auf den meisten Wanda-Songs, zum anderen, weil er den besten Mitsing-Refrain überhaupt hat. Der bestmögliche Opener für ein so hitgespicktes Album wie Bussi. Anhören

2015:
Kamikaze
Marie Ørsted ist vielleicht die beste Erfindung, die Major Lazer in den letzten zehn Jahren hatte. Für seine bollywoodesken EDM-Eskapaden um 2015 war sie stets das optimale Vokalfeature, das einem eingängigen Beat die adäquate Hook verpassen konnte und dabei auch noch extrem charismatisch war. So charismatisch, dass der Sound, den die beiden gemeinsam im Millionenhit Lean On etablierten wenig später komplett an die Dänin outgesourced wurde und letztendlich in diesem Song hier resultierte, der seinen berühmten großen Bruder nochmal um Längen schlägt. Anhören


2015: Grimes
REALiTi
Nach dem Erfolg von Visions 2012 waren es lange Jahre des wartens bis zu ihrem Nachfolger Art Angels, der erst 2016 erschien. Entsprechend groß war im Frühjahr 2015 das Geschrei um diese Demoversion eines neuen Tracks, die spätestens nach dem genialen neuen Album aber schnell verflaute. Für mich ist diese Inkarnation von REALiTi aber immer noch ein absolutes Highlight der Diskografie von Claire Boucher und wesentlich cooler als die endgültige Albumversion desselben Titels. Anhören



2015: Charles Bradley
Changes
Dass Charles Bradley in seinen letzten aktiven Jahren ein Faible für das bearbeiten alter Classicrock-Songs hatte, ist inzwischen kein Geheimnis mehr, doch als Changes 2015 erschien, war ein klassischer Soulsänger, der einen mittelmäßigen Deep Cut von Black Sabbath coverte, schon etwas besonderes. Vor allem, weil er es dabei schaffte, dem Song so viel mehr Leben einzuhauchen als dieser im Original zu bieten hat und es klingen zu lassen, als hätte er ihn geschrieben. Wenig später wiederholte er dieses Kunststück ähnlich erfolgreich mit Neil Youngs Heart of Gold, dieser Track bleibt aber die große Nummer von Bradley. Anhören

2016: Wintersleep
Amerika
Mit dem Beginn des Jahres 2016 beginnt auch die Zeit, in der das Thema Donald J. Trump sich immer ernsthafter musikalisch manifestiert, und wenige waren damit so früh dran wie Wintersleep (obwohl sie aus Kanada kommen). Wie üblich bei dieser Band macht Amerika direkt erstmal Weltuntergangsstimmung, was aber gerade rückblickend noch besser wirkt, da dieser Song tatsächlich so etwas wie die letzten Tage einer gesünderen und vernünftigen Welt besingt. Ein Song der traurig machen würde, wenn er nicht so grandios triumphal geschrieben wäre. Anhören


2016: Weezer
California Kids
Wenn man den zeitlichen Rahmen betrachtet, in dem California Kids veröffentlicht wurde, qualifiziert es sich nicht unbedingt als Comeback-Single, musikalisch gesehen dafür aber umso mehr. Dieser Song ist die endgültige Rückkehr der Rockband Weezer, die unsterbliche Hits schreiben kann und das nicht nur für den Moment tut, sondern für die nächsten 20 Jahre. Für mich persönlich war dieser Track sogar das erste Mal, dass mir diese Band überhaupt irgendwas bedeutete. Insofern ist das hier für mich vielleicht sowas wie Say It Ain't So damals für alle anderen. Anhören


2016: Hilight Tribe
Free Tibet (Vini Vici Remix)
Ich bin jetzt nicht wirklich in der Szene drin, aber liebe Goa-Fans, sagt mir bitte einen einzigen Track aus eurer musikalischen Nische, der jemals so ein großes Mainstream-Crossover war wie der Vini Vici-Remix von Free Tibet. Fast hundert Millionen Aufrufe hat der Song inzwischen bei YouTube, was ihn für einige Menschen sicher zum einzigen Goa-Stück macht, das sie überhupt kennen. Und nicht umsonst: Aus dem meditativen Original macht das DJ-Duo aus Israel hier einen der größten Electronica-Banger der Dekade, der nicht ohne Grund auch außerhalb der Psytrance-Blase gut ankommt. Anhören

2016: Drake feat. Wizkid & Kyla
One Dance
Es gab diejenigen, die sich 2016 über Drakes Dancehall-Avancen lustig machten, dabei war er so ziemlich der einzige, der die ganze Sache ziemlich gut über die Bühne brachte. Bestes Beispiel dafür ist One Dance, eine der gefühlt fünftausend Views-Auskopplungen, die aber alles richtig macht: Das geniale Sample von Kylas Do You Mind als Ausgangspunkt, das subtil groovende Klaviermotiv und der minimalistische Beat machen diesen Track zu dem einen der vielen von Aubrey Graham, die bei mir wirklich nachhaltig hängengeblieben sind und sie immer noch Spaß machen. Anhören

2016: Yndi Halda
Together Those Leaves
Ich war im März 2016 ja schon sehr skeptisch, als es dann plötzlich doch ein neues Album von Yndi Halda gab und ich eigentlich nicht dachte, dass man sich lange damit aufhalten würde. Zumindest bis ich dann diesen Opener einmal gehört hatte und mit absolut sicher war, dass das hier eine der besten Platten der gesamten Dekade werden würde. So musikalisch präsent wie hier hatte ich die Band noch nie zuvor erlebt und auch im Kontext von Under Summer bleibt das hier der Song mit der meisten instant gratification. Vor allem wegen dieser letzten acht gespielten Noten, die mich einfach immer wieder packen. Anhören

2016: Haiyti aka Robbery
City Tarif
2016 ging bei der angesagten Rap-Newcomerin Haiyti noch Qualität von Quantität und ihr Durchbruchs-Mixtape City Tarif empfinde ich bis heute noch immer als ihre beste Platte. Insbesondere der Titeltrack ist wieder Erwarten einer der Songs aus der coolen Phase des Deutschen Trap-Frühlings geworden, der bei mir wirklich hängengeblieben ist und der bis heute nichts von seiner Magie verloren hat. Er etablierte Haiyti damals als knallharten Charaker, der Hoffnung auf eine Karriere machte, die bis heute auf sich warten lässt. Anhören


2016: Kevin Morby
I Have Been to the Mountain
Das Album Singing Saw war 2016 das erste Mal, dass Kevin Morby sich traute, aus seiner Garagen-Kapsel ein Stückweit auszusteigen und in seinen Kompositionen auch ein bisschen exzentrisch zu werden. Das schönste Beispiel dieser Entwicklung ist in meinen Augen I Have Been to the Mountain, dass in dieser Hinsicht besonders weit geht. Mit psychedelischen Chören und dick aufgetragenen Mariachi-Bläsern ist es ein ganzes Stück größer als alles, was Morby bis dahin versucht hatte und ein deutlicher Vorbote der Art von Songs, die er auf den Folgealben schreiben würde. Anhören

2016: Badbadnotgood feat. Samuel T. Herring
Time Moves Slow
Bereits auf ihren frühesten Platten hatten Badbadnotgood mit verschiedenen Rappern zusammengearbeitet, hier eine vollwertige Soul-Nummer zu schreiben, liegt für sie also nicht wirklich fern. Trotzdem ist es erstaunlich wie fantastisch die Symbiose zwischen ihrer doch sehr düsteren und mystischen Spielart mit dem sehr klassischen Soul-Timbre von Samuel Herring funktioniert und wie organisch sich dieser Song anfühlt. Ein weiteres Argument dafür, dass BBNG in Zukunft unbedingt noch mehr Kollaborationen machen sollten. Anhören


2016: Beginner feat. Gzuz & Gentleman
Ahnma
Es war im Frühjahr 2016 eine Mischpoke, an die man sich gewöhnen musste: Für ihre große Comeback-Single holten sich die Beginner ausgerechnet den Rüpel-Gangster Gzuz und den schon fast vergessenen Gentleman als Features und man war sich erstmal nicht so sicher, ob das wirklich funktioniert. Dreieinhalb Jahre später kann ist Ahmna bei mir immer noch ein Lieblingssong, bei dem ich inzwischen mitquatschen kann und es sind gerade die beiden exotischen Features, die das ganze immer noch besonders machen. Die vier Minuten vom Beginner-Comeback, die sich wirklich gelohnt haben. Anhören

2016: Radiohead
Burn the Witch
Auf A Moon Shaped Pool ist Burn the Witch letztendlich der Song, der ins Gesamtkonzept nicht so richtig passen will und deshalb eher weniger gemocht wird, ich für meinen Teil halte ihn aber immer noch für das beste Stück der LP. Nicht nur, weil er musikalisch gut ist, es ist vor allem mal wieder einer der Tracks, in denen Radiohead es schaffen, eine wirklich relevante sozialkritische Message zu vermitteln. Vor allem als Soundtrack des Jahres, in dem der Begriff "Hexenjagd" sich wieder großer Konjunktur erfeute. Anhören


2016: Bent Knee
Hands Up
Das Album Say So war der Beginn der etwas durchwachsenen Phase von Bent Knee, der bisher beste Einzeltrack ihrer Karriere befindet sich aber trotzdem darauf. Hands Up ist einer der wenigen Songs der Gruppe aus Boston, der ganz unverhohlen die Nähe zum Pop sucht und es wird wenig überraschen, dass diese Ästhetik dem Klangkonzept der Band unglaublich gut steht. Eine gute Hook konnten sie ja sowieso schon immer schreiben und dass sie ihr breit aufgestelltes Instrumentarium hier mal richtig voll ausnutzen, macht umso mehr Spaß. Anhören


2016: Mitski
Happy
Als Mitski 2016 mit Puberty 2 ihren Durchbruch hatte, war ihr musikalisches Konzept noch nicht so wirklich ausgereift, im Opener Happy lässt sie aber schonmal die Muskeln spielen. Der Song hat diese beklemmende, extrem grausame Art von Songwriting, die die Künstlerin auf ihren späteren Platten noch ausbauen würde und setzt hier zu Anfang des Albums schon mal ein Zeichen, dass sie für leichtlebige Songs nicht zu haben ist. In meinen Augen der Track, der mich zu ihrem Fan machte. Anhören



2016: Goat
I Sing in Silence
Ein bisschen klingt die Musik von Goat immer auch nach antiautoritärem Waldorf-Kindergarten mit hochtalentierten Teenagern, aber in den meisten Fällen ist das eigentlich ein gutes Zeichen. So hat I Sing in Silence zwar inhaltlich den Swag eines Sesamstraßen-Kinderliedes, ist aber musikalisch unglaublich ausgefeilt. Die gediegene Afrobeat-Basis wird dabei vor allem durch eine ziemlich coole Rhythmusgruppe abgerundet und wäre natürlich kein Goat ohne den Walkürenhaften Gesangspart der anonymen Kindergärtnerin. Klingt als Text jetzt weirder als es tatsächlich ist. Anhören


2016: Clipping.
Wriggle
Es gibt in der Diskografie von Clipping viele harte und grantige Songs, aber ich denke ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass dieser hier der krasseste davon ist. Auf Wriggle drehen die Kalifornier so ziemlich alles auf elf, was irgendwie da ist. Ein Whitehouse-Sample als Hook, ein unfassbar bratziger Industrial-Beat, ein extrem sexualisierter Text und der zackigste Flow, den ich bei Daveed Diggs je gehört habe. Alles in allem ist das Ding am Ende trotzdem ein ziemlicher Banger, der als Partysong taugen würde, wäre er nicht so grundlegend finster und bösartig. Anhören


2016: Coup
Kanack
Haftbefehl als Solokünstler ist ja immer schon eine Hausnummer, auf dieser Single seines Holland Job-Projekts mit Xatar holt er sich aber eine ganze Squad von Talent auf den Track, die einen gigantischen Hit fabrizieren. Zum einen natürlich Xatar, der hier eine seiner besten Strophen auf der Platte macht, zum anderen das damals noch recht unbekannte Produzententeam die Achse, das hier seinen ersten wirklich großen Auftritt hinlegt. Gemeinsam bastelt diese Crew einen der größten Spinoff-Banger von Hafti, der mindestens in einer Reihe mit seinen großen Solo-Hits steht. Anhören


2016: DJ Boring
Winona
Winona war einer dieser viralen Hits, die 2016 der berüchtigte YouTube-Algorithmus in die Playlisten zahlloser nichtsahnender User spülte und daraus bis heute nicht so richtig verschwunden ist. Sollte er auch nicht, denn mit diesem neunminütigen Acid House-Stück schuf der Australier DJ Boring mit Sicherheit einen der genialsten elektronischen Tracks der Dekade, der gerade durch seinen chilligen Minimalismus auch vier Jahre nach Veröffentlichung nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat. 2016 die beste Sache mit Winina Ryder nach Stranger Things. Anhören


2016: Justice
Safe & Sound
Das Comeback von Justice mit Safe & Sound fand im Sommer 2016 nicht gerade mit einem Knall statt und auf den ersten Blick schien es sogar so, als wären die Franzosen hier nur noch den Schatten ihres Debüts hinterher. Auf lange Sicht betrachtet ist das hier allerdings einer dieser Tracks, die in der Zwischenzeit gealtert sind wie teurer Rotwein und trotz seines durchschnittlichen Einstands gehört Safe & Sound für mich mittlerweile zu den Vorzeigetracks von Justice. Anhören



2016: King Gizzard & the Lizard Wizard
Rattlesnake
Durchgehend mikrotonale Instrumentierung, ziemlich dämliche Lyrics, ein prominent platziertes Schalmeisolo und 51 Mal das Wort "Rattlesnake" - es ist schon irgendwie passend, dass dieser Song bis heute das wichtigste und maßgeblichste Stück Musik der Freakshow von King Gizzard & the Lizard Wizard ist. Trotzdem Respekt dafür, ausgerechnet mit so einer Nummer ein Crossover-Potenzial zu schaffen, das weit über das hinausgeht, was viele Rockbands in dieser Dekade geschafft haben und einen der deftigsten Jams gleich noch mitzuliefern! Anhören


2016: Haftbefehl
069
Was die erste Staffel 4 Blocks mühselig in sechs Stunden aufarbeitet, gelingt dem alten Haudegen Hafti hier in unter 4 Minuten. Von allen harten Gangsterrap-Brettern ist 069 bis jetzt sein absolutes Meisterstück und seine definitive Hymne an die Frankfurter Szene, mit der er seinen Style perfektioniert. Und ganz nebenbei beweist, dass er der einzige Rapper seiner Kragenweite ist, der mit wachsendem Erfolg nicht kommerzieller, sondern krachiger wird. Anhören



2016: Childish Gambino
Redbone
Man kann sich darüber streiten, ob das dämliche YouTube-Meme Redbone nun eher geschadet oder genützt hat, Fakt ist, dass dieser Song - und damit Childish Gambino als Gesamtphänomen - deswegen erst ein Mainstream-Phänomen geworden ist. Was allein schon darum schön ist, weil das mit dieser Art von Tracks nicht häufig passiert. Ganz unabhängig davon wäre es aber auch egal gewesen, ob das Ding nun 500 oder 500 Millionen Klicks hat, es ist nämlich so oder so fantastisch. Und der Song, für den auch ich mal kurz bei Donny Glover-Hype dabei bin. Anhören


2016: Fatoni feat. Juse Ju
Modus
Fatoni und Juse Ju sind inzwischen eine der stärksten Deutschrap-Doppelspitzen, die immer wieder geniale Tracks zusammen aufnehmen, der beste darunter ist aber immer noch Im Modus von 2016. Hier gibt es die besten Punchlines, die genialsten Samples, die schönste Alberei, aber vor allem diese absolute Killerhook von Produzent Enaka, der das hier nicht nur zu einem guten Rapsong, sondern zu einem Hit macht. Einem, der komischerweise auch nach vier Jahren nicht nervig wird. Anhören


2017: Spidergawd
Stranglehold
Ich bin keiner dieser Leute, die gerne den Begriff "ehrliche Rockmusik" strapazieren, doch wenn es einen Song in den letzten zehn Jahren gibt, auf den er zutreffen würde, dann wäre es definitiv dieser hier. Spidergawd klingen hier so räudig und fett, als hätten sie kollektiv den Kessel mit dem Dave Grohl-Angus Young-Turbonegro-Zaubertrank geext, wahrscheinlicher ist aber, dass sie allesamt als Kind reingefallen sind. Keine wirklich originelle Nummer, aber eine, die nur fünf Minuten braucht, um den schnauzbärtigen Trucker in mir seit drei Jahren zufrieden zu Stellen. Anhören


2017: Dear Reader
Oh, the Sky
Das vierte Album von Dear Reader ist eigentlich eine Form jener Art von Kammerpop, die ich für gewöhnlich meide, allerdings liegt die Betonung in diesem Fall auf eigentlich. Denn Cherylin MacNeil gibt sich hier wirklich große Mühe, auf keinen Fall langweilig oder angepasst zu klingen. Bestes Beispiel dafür ist bis heute der Opener Oh, the Sky, der als niedliche Singer-Songwriter-Nummer anfängt, sich aber Stück für Stück zum Elektropop-Minihit mausert, der ebenso facettenreich wie catchy ist. Mein kurzer Crossover-Moment mit der MDR Kultur-Crowd. Anhören


2017: Slowdive
Star Roving
Als Slowdive 2017 ihr großes Comeback mit Star Roving hatten, war ich bereits lange keine Shoegaze-Jungfrau mehr und meinte, mich auszukennen. Doch scheint die Redewendung, dass man auf alten Schiffen am besten Segeln lernt, in diesem Fall zu stimmen, denn diese Single haute mich damals komplett von den Socken. Zwar machen die Briten hier wenig wirklich neu, doch merkt man, dass sie dieses Genre immer noch am besten können und wissen, was so richtig Spaß macht. Bilderbuch-Shoegaze für diejenigen, die meinen, sie hätten die dickste Wall of Sound schon gehört. Anhören

2017: Kreator
Satan is Real
Eine coole Sache an Thrash Metal ist es, dass es auch 2017 noch richtig cool klingen kann, wenn man einfach nur die üblichen Boxen abcheckt. Ein starkes kaskadisches Riff zum Einstieg, irgendein Text mit Teufelsanbetung, den man mitgröhlen kann, ballerige Produktion und Gitarrensolo - fertig ist der Lack. Wobei es auch ein bisschen geil ist, dass sie besten dieser Songs halt immer noch von Gruppen wie Kreator kommen, die die ganze Suppe vor 40 Jahren angerührt haben. Anhören



2017: Kendrick Lamar
Humble
Ich muss es jetzt mal so ehrlich sagen: Mit Damn. hat sich Kendrick Lamar zuletzt wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Das Album ist sehr durchwachsen und komisch und weiß in meinen Augen nicht so richtig, wohin mit sich selbst. Umso mehr gefällt mir dabei aber immer wieder die Leadsingle Humble, die mehr als alles andere auf der LP ein echter Hit ist. Fernab von großem inhaltlichen Pseudoquastsch schreibt Kung Fu Kenny hier einfach nur einen dieser typischen Rapsongs darüber, wie geil er sich findet und tadaa, es ist mal eben einer seiner besten. Das nenne ich mal echtes Genie! Anhören

2017: Cardi B
Bodak Yellow
Ich habe ziemlich lange gebraucht, um in Bodak Yellow tatsächlich den genialen Song zu sehen, der er ist, doch seitdem liebe ich ihn dafür um so mehr. Und selbst wenn man ihn nicht mag, kann man sich doch definitiv darauf einigen, dass man Cardi B ihren Erfolg gönnt. Stand 2019 ist dieser Track nämlich noch immer die einzige Nummer Eins-Single einer Rapperin in den US-Charts und es ist sicherlich kein Zufall, dass Leute wie Doja Cat, Rico Nasty, Bhad Bhabie oder Cupcakke seitdem auch viel erfolgreicher sind. In meinen Augen ist dieser Song als nicht weniger als ein emanzipatorisches Medium. Sowohl inhaltlich als auch in seinen indirekten Folgen. Anhören
2017: Timber Timbre
Velvet Gloves & Spit
Für den Titel "Timber Timbre-Song mit dem höchsten Sex-Faktor" gibt es in der Diskografie der Kanadier fast so viele Kandidaten wie Songs, meine Stimme geht aber inzwischen ziemlich eindeutig an diese kleine versaute Nummer hier. Nicht nur, weil es in den diffusen Lyrics am Ende schon recht eindeutig zugeht, sondern vor allem deshalb, weil Taylor Kirk das ganze auch noch mit dieser absoluten Fickstimme performt. Und spätestens nach der abschließenden Gitarrenbreak fragt man sich manchmal, ob man von diesem Song gerade schwanger geworden ist. Heißer gehts meiner Meinung nach auch bei Timber Timbre nicht mehr. Anhören

2017: Sufjan Stevens
Mystery of Love
Sein wir ehrlich, die vergangenen 10 Jahre waren nicht die besten von Sufjan Stevens und ich persönlich hatte es schon ein bisschen aufgegeben, nochmal etwas vom Format eines Mystery of Love aus seiner Feder zu hören. Zwar ist das hier am Ende auch nur ein Song für einen Filsoundtrack und kein richtiges neues Album, doch reicht es, um für vier Minuten nochmal den übergenialen Zwotausender-Sufjan rauszuholen, den es inzwischen nur noch als Light-Version zu geben scheint. Anhören



2017: Jay-Z
the Story of O.J.
Es hab einige sehr coole Comebacks in den letzten zehn Jahren, aber von allen war Jay-Z wahrscheinlich der mit dem schönsten linken Haken. Nach seiner Platzhirsch-Phase von 2009 bis 2013 hätte wohl niemand mit einem so politisch aufrührenden und argumentativ hochwertigen Ansatz gerechnet, wie er ihn hier auf the Story of O.J. präsentiert. Eine Neuerfindung, die sich auf dem dazugehörigen Album 4:44 konsequent durchzieht und die hoffentlich eine ganz neue Karrierephase bei Shawn Carter einleitet, in der er sich auch mal wieder als Musiker und nicht nur als Businessmann beweisen kann. Anhören

2017: Jesu & Sun Kil Moon
A Dream of Winter
Mark Kozelek war 2017 wahrscheinlich der letzte, von dem man ein veritables Weihnachtslied hätte erwarten können, wird er doch in den letzten Jahren immer mehr zum grumpy dad der Popmusik. In A Dream of Winter schafft er aber genau das und ist ausnahmsweise mal so gar nicht grumpy, sondern tatsächlich so romantisch drauf, dass es fast ein bisschen niedlich ist. So wie er hier von langen Winterspaziergängen und dem Vollgefressensein vom Weihnachtsessen singt, hätte man nicht übel Lust, die Feiertage mal mit ihm zu verbringen. Und spätestens diese Reaktion ist eine sehr Kozelek-untypische. Anhören

2017: Myrkur
Ulvinde
Myrkur waren eines der Phänomene der letzten fünf Jahre, denen ich so viel mehr gewünscht hätte, als letztendlich daraus wurde, leider waren ihre Platten dann aber doch nicht immer so gut, wie sie hätten sein können. Was die Band aus Dänemark aber auf dem Kasten hat wenn sie will, zeigen solche Songs wie Ulvinde, die es tatsächlich schaffen, die Gnarzigkeit von Black Metal mit Elementen aus Folk und Pop zu verbinden und dabei ganz beiläufig viele eklige Klischees von Folkmetal aufbrechen. Eine Art von Musik, die hoffentlich im nächsten Jahrzehnt endlich so richtig den Arsch hochkriegt. Anhören

2017: Love A
Nichts ist leicht
Unter den vielen großen deutschsprachigen Postpunk-Nummern der letzten zehn Jahre sah es zunächst nicht so aus, als würde Nichts ist leicht wirklich hervostechen, ich fand es lange Zeit eher ganz nett. Seine Art nach vorne zu gehen und die Unbeugsamkeit, mit der es auch wirklich ein Hit sein will, haben es seit 2017 aber zu einem Stück gemacht, von dem ich nicht genug bekommen kann und das irgendwie nicht von meiner Seite weichen will. Letztendlich kein sonderlich auffälliger, aber beständiger Song von Love A, der für mich inzwischen ein Dauerbrenner geworden ist. Anhören


2017: Der Weg einer Freiheit
Skepsis Pt. 2
Man denkt nach den ersten Takten von Skepsis 2 eigentlich, der Song könne schon nicht mehr intensiver werden und ahnt nicht, wie dick Der Weg einer Freiheit hier auftafeln. Durchweg Staccato-Riffing, völlig übertriebene Blastbeats und Nikita Kamprad auf Hochtouren. Der wirklich großartige Teil beginnt dann aber erst mit der Keyboard-Hookline und dem herzerschütternden Refraintext, der dann ohne Umschweife wieder ins Soundgewitter abstürzt. Einer der heftigsten, poetischsten und eingängigsten Black Metal-Songs der letzten Dekade und ein Schlüsselmoment in der Diskogarfie von DWEF. Anhören

2017: John Maus
the Combine
Screen Memories ist bis dato vielleicht das schwächste Album von John Maus, der Opener selbiger Platte allerdings könnte sein eigentliches Opus Magnum sein. Der überbordende und hymnische Synthpop-Stil, den der Songwriter in den letzten zehn Jahren etabliert hat, ist auf keinem seiner Tracks so bombastisch und so großzügig arrangiert wie hier. The Combine klingt, als dirigierte Maus ein ganzes Orchester von Synthesizern, die die opulente Ouvertüre einer gigantischen Keyboard-Oper spielen. Eine geniale Mini-Sinfonie, in deren Schatten die meisten anderen Tracks von John Maus bis heute stehen. Anhören

2017: Alvvays
In Undertow
Wie schon sein Vorgänger ist auch das zweite Alvvays-Album vollgepackt mit Hymnen, unter denen es keinen eindeutigen Superhit gibt. Allerdings zeigt vor allem der Opener In Undertow die Entwicklung auf, die die KanadierInnen seit ihrem Debüt gemacht haben. Eine deutlich dominantere Wall of Sound, kreativere Einfälle im Synth-Bereich und diese großartigen Umleitungen über Bridges und Reprisen, die die Tracks hier nochmal richtig aufbauschen. Und nach allem natürlich auch noch ein absolut gnadenloser Ohrwurm. Anhören


2017: Wanda
Weiter, Weiter
Die richtig guten Jahre waren bei Wanda 2017 eigentlich langsam vorbei, dennoch ist das hier am Ende vielleicht mein Lieblingssong der Wiener. Als Opener des dritten Albums schafft er einen großartigen Übergang zwischen dem hedonistischen Songwriting-Stil der ersten Platten, transportiert aber lyrisch schon viel vom existenziellen Schmerz und der Zweifel, die Niente inhaltlich dominieren. Einer der wenigen Songs von Wanda, in denen die große Melancholie auch mal wirklich durchkommt, die sonst nur zwischen den Zeilen ihrer Lieder existiert. Anhören


2017: Johnny Rakete
Michelle
Vielleicht ist Michelle ein Song aus der Perspektive eines Arschlochs, aber dafür wenigstens ein ehrlicher. Rein künstlerisch liebe ich ihn dafür ganz unglaublich und emotional ist zumindest ein Teil von mir relativ betroffen dabei. Geil ist der Track, weil Johnny Rakete hier einen sehr altbackenen Style von Deutschrap wieder aufmotzt und hier einen dieser echten Hiphop-Momente schafft, von denen die Szene-Journalisten immer so schwärmen. Der Unterschied: Max Herre war nie so gut wie er hier. Anhören



2017: Taylor Swift
This is Why We Can't Have Nice Things
Man kann über Reputation vieles sagen, aber schiebt man den Gossip mal beiseite, ist es vielleicht das beste Album von Taylor Swift bisher. Vor allem wegen Songs wie diesem, die zwar Deep Cuts sind, aber klingen wie Singles und die die Sängerin einfach ownt. Dabei geht es natürlich auch hier um Kim und Kanye und die ganze Schlammschlacht drumherum, aber wenn aus so einem Blödsinn am Ende ein Hit wie dieser resultiert, kann ich den nächsten Beef der Taylor Swift schon gar nicht mehr erwarten. Anhören



2017: Godspeed You! Black Emperor
Anthem for No State
Technisch betrachtet sind es drei Songs, aus denen das Anthem for No State besteht, praktisch gesehen ist es aber ein durchgehendes, zusammenhängendes Konstrukt, das den größten Teil der B-Seite von Luciferian Towers ausfüllt, die Argumentation ist also hinfällig. Wichtig ist vor allem, dass der Track einer der schönsten und sinfonischsten ist, die Godspeed You! Black Emperor in den letzten Jahren veröffentlicht haben, der auch mal wieder die alten Blues-Spielereien aus den Neunzigern auspackt. Gehört in meinen Augen auf jeden Fall zu den unterschätzten Nummern der Kanadier. Anhören

2017: King Gizzard & the Lizard Wizard
Greenhouse Heat Death
Inmitten einer für King Gizzard sehr experimentellen Phase war Greenhouse Heat Death im Winter 2017 zwar ein eher konservativer Track, doch zeigte er einmal mehr sehr deutlich, was die Australier von allem am besten können: Ausgedehnte Jam-Nummern mit schräger Tonalität, verschwurbelten Soli, arschtighten Grooves und starken Hooks. Weil es davon eigentlich schon genügend gibt, wird der hier gerne mal vergessen, allerdings ist er einer meiner liebsten dieser Gattung und auch die Band, die ihn regelmäßig live spielt, scheint da auf meiner Seite zu sein. Anhören


2018: MGMT
Hand It Over
Nach den großzügigen musikalischen Eskapaden, mit denen MGMT den Großteil des vergangenen Jahrzehnts dominierten, war ich im Januar 2018 erstmal überrascht, plötzlich einen so gefassten und aufgeräumten Slowjam von den beiden zu hören. Allerdings im positiven Sinne, denn in meinen Augen ist Hand It Over das absolute Meisterwerk des Duos. Die verhaltene Psychedelik, die repetetiven Lyrics und der chorale Refrain machen das hier zu einer genial zeitlosen Nummer, die so viel größer ist, als sie scheint und mit der sich MGMT endgültig einen Eintrag in die Pop-Geschichtsbücher verdient haben. Anhören

2018: Twin Shadow feat. HAIM
Saturdays
Es ist ja gerade so eine coole Sache, als Rap- oder R'n'B-Künstler*in einen Rocksong zu schreiben, was das angeht muss man aber erstmal an Twin Shadow vorbei. Der macht schon seit 2015 Stadionrock als Quereinsteiger und hat mit Saturdays 2018 den ultimativen Crossover-Hit geschaffen. Das HAIM-Feature ist dabei noch ganz gut für die Credibility, die kreative Arbeit leistet der Songwriter aber zu hundert Prozent selbst und ist hier am Ende mehr Spingsteen als Prince. Die Purist*innen werden meckern, aber dafür ist mir die Musik zu gut. Anhören


2018: Beirut
Gallipoli
Das zur nervtötenden Starbucks-Hymne gewordene Santa Fe als Delegation der Beirut-Diskografie in diese Liste zu packen, ist eine Sache die jede*r machen kann. Wem Zach Condon wirklich am Herzen liegt, der traut sich auch, einen Vertreter seines geschmähten jungen Katalogs als Lieblingssong zu outen, der in Wahrheit die bessere Version des alten Hits ist. Ein Track mit allen typischen Parametern eines richtig guten Beirut-Titels, bei dem man sich 2018 erstmal wieder erinnerte, wie schmerzvoll seine Musik sein kann. Anhören


2018: Last Dinosaurs
Eleven
Keine Ahnung, ob die Nostalgiespiralen bei den Last Dinosaurs einfach sehr kurz sind oder die Australier tatsächlich noch im Jahr 2010 hängengeblieben sind. Fakt ist, dass dieser Track sehr gut darin ist, zum Ende des Jahrzehnts Erinnerungen an Bands wie die Smith Westerns und Two Door Cinema Club zu reaktivieren. Völlig unabhängig vom zeitlichen Kontext kann man aber sagen, dass sie das mit einer extrem starken Nummer tun, die es auch schafft, die größten Qualitäten dieser Art von Musik gut auszuleuchten. Der richtige Song zur falschen Zeit. Anhören


2018: the Wave Pictures
Roosevelt Sykes
Die Tatsache, dass es die Wave Pictures schon gefühlt tausend Jahre gibt und sie Platten am Fließband veröffentlichen hat viele (unter anderem mich) blind für den Umstand gemacht, dass sie in dieser Dekade tatsächlich noch so manche Perle am Start hatten. Roosevelt Sykes von 2018 ist darunter vielleicht der schönste Song, in dem die Band ihre surrealistischen Lyrics über einen herrlich naiven Afrobeat-Teppich drapiert. Was das ganze jetzt mit dem gleichnamigen Bluesmusiker und mit den Gefahren des Rauchens auf dem Sofa zu tun hat, müssen sie auch aber selbst erklären. Anhören


2018: Chvrches
Graffiti
Bei all der schönen Pop-Romantik, die die Musik von Chvrches heraufbeschwört, wird immer gerne vergessen, was Lauren Mayberry eigentlich für geniale Texte schreibt. Graffiti ist einer der Songs, die einen ab und zu daran erinnern können. Ein herrlich ehrlicher Track übers Erwachsenwerden, alte Freundschaften und jugendliche Illusionen mit einer extrem packenden Hook, der definitiv zu den Diamanten im Katalog der SchottInnen gehört. weil er schön ist, aber auch ein bisschen wehtut. Anhören


2018: Mitski
Two Slow Dancers
Noch so ein Song, der weh tut, wobei das bei Mitski inzwischen ja die Regel ist. Auf diesem Closer ihres letzten Albums packt sie aber nochmal so richtig groß das lyrische Besteck aus, um in einem Track über verlorene Jugend und emotionale Wachstumsschmerzen den Finger nochmal richtig tief in die Wunde zu drücken. Ein Album auf einer so hoffnungslosen und erdrückenden Note zu beenden, ist eine fiese Spezialität der New Yorkerin und ein bisschen hasse ich sie auch dafür. Wenn sie nicht so verdammt gut darin wäre. Anhören


2018: Wiegedood
De Doden Hebben Het Goed III
Als titelgebende Leadsingle des letzten Albums der großartigen DDHHG-Trilogie von Wiegedood hat dieser Song natürlich eine gewissen Verpflichtung gegenüber der eigenen Saga, die ihm in dieser Ausführung aber wirklich niemand absprechen kann. Mit über 12 Minuten Spielzeit und jeder Menge deftigen Black Metal-Kaskaden ist das hier mit Sicherheit ein würdiger Strich unter die Titeltrack-Sinfonie der Belgier, die hier nochmal alle Kräfte zusammennimmt und ihren vielleicht besten Single-Moment auftafelt. Anhören


2018: Thom Yorke
Suspirium
Der Soundtrack von Suspiria, der für Thom Yorke die erste Filmmusik-Arbeit in diesem Umfang ist, ist gerade deshalb so spanannd, weil der Brite musikalisch hier wirklich mal wieder neues Territorium betritt. Trotzdem ist es sicherlich die größte Offenbarung der Platte, wenn aus der Kakophonie des finsteren Klangkonstukts diese liebliche Klavierballade entsteigt, auf der man Thom Yorke in seiner ganz klassischen Ästhetik erlebt, die aber selten so schön ausgeführt wurde wie hier. Anhören



2019: Aldous Harding
the Barrel
Aufhänger war für mich im Januar das eigenartige Amish-Kostüm-Performance-Video von Aldous Harding, das sicher auch die knapp 2 Millionen Klicks verursachte. Es dauerte aber nicht lange bis ich merkte, dass sich hinter der wahrscheinlich forcierten Meme-Fassade ein echt potenter Song versteckt, der vielleicht nicht ganz so aufregend, aber auf jeden Fall ernstzunehmender ist. Aldous Harding zeigt sich hier auf jeden Fall als Künstlerin, mit der man sich beschäftigen sollte und deren Output weniger lachhaft ist, als es zunächst scheint. Anhören


2019: Bilderbuch
Europa 22
Auf dem neuen Bilderbuch-Album Vernissage My Heart ist Europa 22 definitiv der Song, der am meisten aufzeigt, zu welcher Band sich die Österreicher in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Nicht nur deshalb, weil sie sich hier auf fast zehn Minuten Spieldauer trauen, sondern vor allem, weil die Atmosphärik hier endgültig die lange Schlacht gegen die schnellen Hooks gewinnt. Dass dabei der vielleicht veritabelste Pro-Europa-Hit seit Kraftwerks Europa Endlos rauskommt, ist letztendlich nicht mehr als ein ganz schöner Nebeneffekt. Anhören


2019: Richard Dawson
Jogging
Dass Richard Dawson ein gleichsam seltsames wie geniales Popmusik-Phänomen ist, zeigt vermutlich keine Sache besser als dieser Song aus seinem neuen Album. Ein extrem schräger Song mit Anleihen aus allen möglichen stilistischen Ecken über den man zunächst schmunzelt, der aber am Ende vor allem als großes lyrisches Statement zu mentaler Gesundheit, spätkapitalistischem Bullshit und alltäglichem Hass in Erinnerung bleibt. Und ganz nebenbei noch eine riesige Hook hat, sodass man den ganzen Mist ein halbes Jahr als Dauer-Ohrwurm mitschleppt. Danke dafür. Anhören


2019: Kate Tempest
People's Faces
Auch Kate Tempest beschäftigt sich auf ihrem neuen Album mit den gleichen Themen wie Richard Dawson, wobei die Moral der Geschichte in ihrem Fall eher wie ein Stein im Magen liegt als ein Schmunzeln entlockt. Insbesondere der Closer People's Faces ist in dieser Hinsicht extrem heftig, weil er in vielen Momenten sehr viele Dinge formuliert, die sehr ungeniert wahr sind und weil dieser Song einer ist, den man eigentlich ganz fest drücken und mit ihm zusammen losheulen will. Allgemein also ein Track, der 2019 ziemlich akkurat zusammenfasst. Anhören


2019: Grim104
Graf Grim
Musikalisch mag dieser Track Denzel Curry sein, lyrisch allerdings ist er tiefster Goth. In der Leadsingle seines neuen Mini-Albums reagiert Grim104 zum ersten Mal ausführlich sein Faible für Horror- und Monsternarrative aus, das er schon mindestens seit der zweiten Zugezogen Maskulin-LP hat. Das ist zunächst gewöhnungsbedüftig, doch schafft er hier einen sehr poetischen textlichen Stil, der fast literarisch ist und auf der anderen Seite schlicßlich auch einen der massiveren Deutschrap-Banger der letzten Jahre. Anhören


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