Samstag, 21. Dezember 2019

Umterm Strich 2019: Die schönsten Musikvideos

Auch dieses Jahr habe ich wieder ein paar Lieblingsvideos, auf die ich hier nochmal aufmerksam machen will. Das Prozedere ist eigentlich selbsterklärend, oder?


INJURY RESERVE feat. AMINÉ
Jailbreak the Tesla
Regie: Parker Corey



Videos mit dicken Karren gehören im Hiphop zu den Sachen, die man einfach mal gemacht haben muss. Weil Injury Reserve aber nicht irgendeine dahergelaufene Rap-Crew sind, sondern solche Klischees immer etwas subversiv angehen müssen, machen sie hier einen Song darüber, wie man ein Elektroauto hackt. Und statt im dazugehörigen Clip dann einfach damit um den Block zu fahren (machen sie zwar auch) ist der titelgebende Tesla hier sowas wie der Star des ganzen. Wer mal wissen will, wie Erotikfilme mit PKWs aussehen würden, hier ist ein Annäherungsversuch.

J. COLE
Middle Child
Regie: Mez



J. Cole ist schon lange einer der Typen, die auch immer für ein gutes Video zu haben sind. Nach dem psychedelischen Neunziger-Throwback ATM vom letzten Jahr ist Middle Child wieder eines mit haufenweise cineastischen Bildern, cleveren Schnitten und höchstwahrscheinlich jeder Menge bedeutungsschwangerer Symbolik. Was Louboutins aus Schlamm und rote und blaue Trainingsjacken den Zuschauenden sagen sollen, können aber ruhig die Hiphop-Foren unter sich klären, ich finde das Ding einfach ziemlich ästhetisch.


KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD
Fishing for Fishies
Regie: Jason Galea / John Angus Stewart



Auch King Gizzard & the Lizard Wizard waren schon immer eine Band, die unter anderem wegen ihrer Video-Ideen so besonders und cool sind, und mit ihrer niedlichen Veganismus Hymne Fishing for Fishies von diesem Frühjahr haben sie in meinen Augen ihre bisher beste Arbeit abgeliefert. Ganz im Stil ihres gewohnten visuellen Humors und mit großartiger Trickfilm-Ästhetik schaffen sie hier ein kleines Meisterwerk, das ein bisschen unwiderstehlich ist.


DEICHKIND
Richtig gutes Zeug
Regie: Timo Schierhorn & UWE



Als Leadsingle ihres neuen Albums war Richtig gutes Zeug so lala, ein Hit ist es bei aller Liebe jedenfalls nicht im Ansatz. Was allerdings das Video angeht, ziehen Deichkind mal wieder alle Register: Nicht nur mit Lars Eidinger als genialen Stargast, sondern vor allem mit der extrem weirden Ästhetik der Setpieces, Kostüme und Performances. Zwar kennt man diese schrillen Optics von den Hamburgern schon etwas länger, hier hatte ich aber zum ersten Mal den Eindruck, das das große Kunst ist und wirklich jeder Frame ein grandioses Gesamtbild ergibt. Da macht es dann auch nichts, dass der Song an sich nicht so gutes Zeug ist.


KEVIN MORBY
OMG Rock n Roll
Regie: Christopher Good



Es ist ein bisschen unrealistisch, dass dieses Video von einem einzigen Regisseur sein soll. Der investierten Arbeit und dem vielschichtigen Ergebnis nach zu urteilen, müssen hier mindestens fünf unterschiedliche künstlerische Visionen am Werk gewesen sein. Es gibt Stop-Motion-Animationen, Scherenschnitt-Optik, amateurfilmhafte Traumsequenzen und mit fast jedem Schnitt einen neuen ästhetischen Twist, der OMG Rock n Roll zu einem Flickenteppich von Ideen macht. Nicht jede davon ist so cool wie die fliegenden Mülltonnen am Anfang oder die Stelle mit der Zauberbohne, aber insgesamt sorgt es für ein Musikvideo, das vor allen anderen Dingen sehr kreativ geworden ist.


STORMZY
Vossi Bop
Regie: Henry Scholfield



Vossi Bop ist das optimale Video für die Art von Comeback, die Stormzy in diesem Jahr brauchte: der Song ist ein Kopfnicker an die Crew von früher, aber der Clip vor allem der deutliche Hinweis, das der Brite als Rapper mehr sein will. Die One-Take-Ästhetik und die Cinematografie könnten auch aus einem Kendrick Lamar-Video sein, kleine visuelle Easter Eggs mit politischen Botschaften positionieren den Künstler deutlich und mit Idris Elba ist sogar ein echter Hollywood-Star mit dabei. Ein Clip der bahnbrechend wäre, hätten ihn nicht Kdot und Childish Gambino schonmal gemacht.


PILE
Hair
Regie: Jess Price / Lydia Cheshewalla



Eigentlich ist das Video zu Hair nicht mehr als eine nostalgische Found-Footage-Kompilation mit einigen weird-ästhetischen Bildern und einer ganz coolen Cinematografie. Eine Sache, die jeder Depp mit einer VHS-Kamera auch machen kann. Was dabei aber so toll ist, ist die Art, wie die Bilder den Vibe des dazugehörigen Songs transportieren und eine sehr wirkungsvolle Melancholie erzeugen. Was mir vor allem deshalb aufgefallen ist, weil der Track ohne die visuelle Komponente plötzlich nur noch halb so cool war.


DIE ORSONS
Grille
Regie: Monica Menez / Markus Winter



Eine der Sachen, die ich am neuen Orsons-Album ganz nebensächlich liebe ist die konsequente visuelle Ästhetik, die die Stuttgarter damit durchziehen. Die großen Gummitiere, das schrille Colorblocking, die Kostüme, diese eine Statistin. Im Video zur Leadsingle Grille kommen alle diese Komponenten schlussendlich zusammen und bilden eine herrlich quietschbunte Freakshow, die selbst für Videoclip-Gourmets wie diese Band eine herausragende Leistung ist.


JOJI
Sanctuary
Regie: Eoin Glaister



George Miller als Musiker war auch 2019 ein Konzept, mit dem ich mich erst anfreunden muss, selbst wenn der Typ inzwischen bereits sein zweites Album draußen hat. George Miller in Videos liebe ich dank Sanctuary aber mehr als je zuvor. Was Eion Glaister hier aus dieser unscheinbaren R'n'B-Ballade macht ist nicht nur visuell ansprechend, sondern hat sogar eine sehr gute Story mit Tiefgang, der für knapp über drei Minuten äußerst eindrucksvoll ist. Ein ambitioniertes Projekt, das ich von Joji so gar nicht erwartet hätte.


GENETIKK
Chop Suey
Regie: URX Video



Der Song ist fragwürdig und was Genetikk musikalisch machen, interessiert mich ebenfalls nicht wirklich. Das ihr Comeback-Video aber extrem schick geworden ist, muss ich trotzdem zugeben. Der zackig geschnittene Mischmasch aus Anime-Clips und gespielten Szenen, die Setpieces, die Stop Motion-Sequenzen und der Karaoke-Verschnitt sind vielleicht ein bisschen stereotypisch, aber auf jeden Fall schön anzusehen. Und ganz ehrlich: Wenn es Szenen mit Trickfilm-Essen gibt, dann bin ich dabei, egal worum es sonst so geht.

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