Montag, 29. Januar 2018

Pöbelei & Poesie




















Die Geschichte von Feine Sahne Fischfilet innerhalb der letzten Jahre liest sich in Nachhinein schon ein bisschen wie ein Punkermärchen: Von der für die momentane Punker-Gesellschaft eigentlich viel zu uncoolen Untergrund-Gurkentruppe mit Verfassungsschutzbericht-Backing wurde das Sextett aus Mecklenburg-Vorpommern 2012 nach dem Überaschungserfolg der Single Komplett im Arsch in Sphären katapultiert, in der andere Vertreter*innen dieser Art von Musik sonst nur mit viel Glück nach drei Dekaden AJZ-Touren landen. Über die Zwischenstation der szeneübergreifenden Konsensband, auf die sich auch mal alle in der WG einigen konnten, sind sie spätestens seit einem Jahr zu so etwas wie Popstars geworden, auch wenn dieses Etikett noch immer nicht so richtig an ihnen haften will. Das dem so ist, mag daran liegen, dass Feine Sahne Fischfilet auch in diesem Zustand noch immer den Spagat von der großen Bühne zur eigenen Basis schaffen. Neben Auftritten bei Rock am Ring und Tagesthemen-Interviews spielt die Band auch nach wie vor in den gleichen Szeneschuppen in Ostsachsen, die schon vor zehn Jahren ihre Tourstopps waren. Mit dieser unglaublichen Hingabe und Treue für die eigenen Wurzeln und das eiserne DIY-Prinzip sind Feine Sahne Stand 2018 eine Band, die in meinen Augen wahnsinnig viel Respekt verdient. Umso besser also, dass ich mich mittlerweile auch musikalisch mit ihnen anfreunden kann. Ihr letztes Album Bleiben oder gehen von 2015 ist rückblickend vielleicht eine der Platte geworden, die ich seit ihrem Erscheinen exponentiell immer wieder ein wenig besser fand und mit der ich mittlerweile einiges verbinde. Kein Wunder, denn mit Monchis straight-emotionalen Texten und ihrem leichten Schauer von Melancholie zeigt sie die Band auf einem musikalischen Level, das weit über Musik hinausgeht, die gut auf Demos funktioniert. Und dass sie auf diesem Niveau mit einem Nachfolger anschließen könnten, daran zweifelte ich eigentlich keinen Moment. Zumindest bis dann die ersten Singles kamen und ich es doch mit der Angst zu tun bekam, Feine Sahne würden diese Dinge zugunsten einer hohlen Partyplatte über Bord werfen. Zurück in unserer Stadt und Alles auf Rausch waren Tracks der Sparte, die in ihrer schlimmsten Zeit mal die Toten Hosen bedienten, garniert mit reichlich Fäkalhumor und ein wenig unterschwelliger Pöbelei, alles in allem also ganz ganz schlimmes Zeug. Und für einen Moment sah es so aus, als würde Sturm & Dreck komplett so werden. In den knappen 38 Minuten, die die Band hier bespielt hat, werden viele der Sachen, die sie auf dem Vorgänger so cool machten, zum blöden und nervigen Selbstverständnis. So gut wie jeder Melodiebogen wird bis zum Erbrechen mit Trompeten zugekleistert, die irgendwann einfach nur noch nerven und textlich wird sich am Ende doch wieder sehr an Plattitüden vergriffen, die ganze Songs zu doofen Parolen-Sammlungen verkommen lassen. Dass ich dann Songs wie Suruç oder Wo niemals Ebbe ist blöd finde, tut mir in der Seele weh, sind sie doch potenziell sehr krass und eindrücklich, nur eben musikalisch beschissen umgesetzt. So müssen eben wieder die Balladen alles retten. Und hier überzeugen Feine Sahne seltsamerweise aus dem Stand. Stücke wie Zuhause oder Alles anders zeigen wieder genau die Band, die ich auf Bleiben oder gehen so sehr mochte, die mit der bestechenden Emotionalität, die mit ihrer Klampfe direkt an deinem Herzmuskel andockt. Auch der Closer Niemand wie ihr, den Monchi über seine Eltern geschrieben hat, ist äußerst bewegend und schafft es auch, das klanglich einzufangen. Tracks wie diese zeigen, dass die Qualität von Feine Sahne Fischfilet als Songwriter kein flüchtiger Zufall auf einem Album war, sondern Können. Und dann kommt schon die Frage auf, warum man davon hier so wenig hört. Sturm & Dreck ist in meinen Augen eine ziemliche Enttäuschung, die vielleicht dem gewonnenen Mainstream-Erfolg dieser Jungs gerecht wird, nicht jedoch ihrem eigentlichen Talent. Nach so einer Platte macht man sich schon mal Sorgen, ob das jetzt so weiter geht und Feine Sahne tatsächlich die neuen Toten Hosen werden. Sollte dem so sein, dann passiert es jetzt aber wenigstens mit der Gewissheit, dass sie eigentlich viel zu cool dafür sind. Und wenigstens kann man sich bei ihnen darauf verlassen, dass dieser Sound nicht die Entscheidung eines Labels ist, sondern ganz und gar ihre eigene.






Persönliche Highlights: Schlaflos in Marseille / Zuhause / Alles anders / Niemand wie ihr

Nicht mein Fall: Zurück in unserer Stadt / Alles auf Rausch / Angst frisst Seele auf / Ich mag kein Alkohol / Suruç

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