Montag, 1. Juli 2024

Die Wochenschau (24.06.-30.06.2024): Bring Me the Horizon, Twenty One Pilots, Black Dresses und und und...


 

 

 
MANDY
Lawn Girl
Exploding in Sound
 
Zweites Album der jungen Garagen/Indierock-Küstlerin Miranda Winters, die sich klanglich ziemlich eindeutig in die noch immer stetig nachwachsende Post-Liz Phair-bisschen-LoFi-bisschen-Emo-Bewegung einordnen lässt, die in den vergangenen fünf bis zehn Jahren schon mehr spannende Newcomer*innen hervorgebracht hat, als man zählen kann. Ob man Mandys Songs dabei als etwas wirklich besonderes empfindet, liegt im Auge der Betrachtenden, für mich persönlich hat sie aber einen charmanten Charakter, der sie als Songwriterin zumindest auffällig macht und trotz einer tighten Spieldauer von gerade Mal 23 Minuten gibt es auf Lawn Girl ausschließlich starke Songs. Eine Platte, die sich schon beim ersten Hören anfühlt, als hätte man sie ein Dutzend mal gehört, aber ganz eindeutig auf die gute Art.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11
 






BLACK DRESSES
Laughingfish
Die-Ai-Wei

Die Black Dresses haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren schon so viel für den musikalischen Fortschritt in den Zwotausendzwanzigern getan, dass ich ihnen ein so mittelmäßiges Album wie dieses nicht wirklich übel nehmen kann. Gerade deswegen ist es bei näherer Betrachtung aber auch so ungewöhnlich. Denn nicht nur waren wenige Bands in der jüngeren Vergangenheit so innovativ, vorwärtsdenkend und sympathisch wie die beiden Kanadier*innen, es gab auch wenige so stilsichere wie sie. So gut wie alles, was seit etwa 2020 aus ihrer Richtung kam, war für mich ein gesetzter Favorit und Laughingfish ist das zum ersten Mal seit einer Weile nicht. Was zum einen daran liegt, dass hier klanglich sehr die Energie herausgenommen wird und das Duo sowohl inhaltlich als auch kompositorisch vieles ein bisschen schleifen lässt, vor allem liegt es aber an der opulenten Spieldauer von 77 Minuten, die sich bei der musikalischen Mischung aus enervierender Noise-Grütze und dem fehlenden Punch im Songwriting bei mir ziemlich endlos angefühlt haben. Effektiv schlecht ist Laughingfish dabei trotzdem noch immer nicht und erhält sich immerhin ein paar der wichtigsten Black Dresses-Kernkompetenzen, es ist aber schon mit Abstand das schwächste ihrer Alben seit langem. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





BRING ME THE HORIZON
Post Human: NeX GEn
Sony | RCA

Nach dem Ausstieg von Jordan Fish zum Ende des vergangenen Jahres und den unter anderem dadurch bedingten endlosen Verschiebungen dieses neuen Albums von Bring Me the Horizon hatte ich zwischendurch schon eine Ahnung, dass die Band jetzt vielleicht komplett implodieren würde und es die neuen Songs womöglich nicht mehr zu hören gäbe, zum Glück habe ich mich da aber getäuscht. Was klasse ist, denn obwohl ich im Vorfeld eigentlich keine sonderlich großen Erwartungen an Post Human: NeX GEn hatte, haben die Briten hier wahrscheinlich ihr bestes Album bisher gemacht. Dabei orientiert sich dessen Sound weniger am EP-Vorgänger Survival Horror von 2020, von dem das hier ja eigentlich das zweite Kapitel ist, sondern eher an dem, was die Band ein Jahr zuvor auf Amo machte und heißt im Klartext, dass Bring Me the Horizon hier wieder hier Pop-Muskeln spielen lassen. Und wie. Geniale Hooks haben sie ohne Ende und auch wenn die Produktion dahinter nicht mehr so krachig ist wie vorher, zielt sie ebenfalls umso mehr auf die eingängige Seite der Songs ab und macht damit mindestens genauso viel richtig. Und klar wird es ein paar Fans von früher vergraulen, wie die Band sich hier vielleicht auch ein bisschen anbiedert und weniger schreit und tobt als zuvor, in meinen Augen können sie das aber schon seit einer ganzen Weile eigentlich besser. Amo war 2019 schon wichtige Überzeugungsarbeit in der Hinsicht, NeX GEn gönnt sich jetzt alles, was diese Freiheit bietet und macht in jeder Hinsicht das beste daraus.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





TWENTY ONE PILOTS
Clancy
Fueled By Ramen

Nachdem mich vor sechs Jahren selbst der überraschende Kritikliebling Trench kalt gelassen hatte, ging ich nicht davon aus, dass ich bei den Twenty One Pilots irgendwann nochmal auf den Geschmack kommen würde und bisher sah es ja auch nicht danach aus. Mit Clancy, dem ideellen Nachfolger von Trench, haben sie mich jetzt aber doch noch irgendwie gepackt, was auch daran liegt, dass sie als Songwriter hier weiter wachsen. Musikalisch passiert das dadurch, dass sie noch vielschichtigere Einflüsse als zuvor zulassen und dabei vielleicht manchmal etwas zu sehr nach anderen Bands und insbesondere Tame Impala klingen, damit aber eine künstlerische Präsenz schaffen, die ich so noch auf keimem ihrer Alben erlebt habe. Der größte Schritt von Clancy passiert aber auf inhaltlicher Seite, wo das Duo sich einem ähnlichen Konzept annimmt wie auf Trench, das ebenfalls um Themen mentaler Gesundheit kreist, diesmal aber wesentlich besser ausformuliert ist. Wo solche Narrative vorher noch oft unter ihren Metaphern zusammenstürzten und ob ihrer Konzeptualität am Ziel vorbeischossen, werden Twenty One Pilots hier direkter und auf diesem Weg auch empathischer. Womit Clancy für mich das Versprechen erfüllt, das auf Trench damals gemacht wurde und mir die Idee dieser Band nun doch noch irgendwie schmackhaft macht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11






DYLAN DYLAN
Love Theory
Lost Palms

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Euphoria, Das Debüt des französischen Deep House-Projekts Dylan Dylan mochte ich richtig gerne, als es vor zwei Jahren erschien, unter meinen Lieblingsalben jener Saison hatte ich es da aber nicht. Das lag zum einen daran, dass in diesem Jahr einfach richtig viele gute Platten erschienen und ich andere ein bisschen stärker fand, ein bisschen aber auch daran, dass Euphoria sich mit der Zeit etwas abnutzte. Beim zweiten Mal ist es nun genau andersrum: Zunächst war mir Love Theory als Nachfolger nicht griffig genug, die Produktion zu generisch und das Gefühl oldschooliger House-Tiefe vom letzten Mal zu sehr einem flacheren Techno-Sound gewichen, inzwischen mag ich es aber echt gerne. Zwar empfinde ich die eben genannten Attribute der LP noch immer als marginalen Rückstand zum Vorgänger, Dylan Dylan schafft es aber, diese mit anderen starken Elementen und vor allem einem durchweg fetzigen Songwriting zu überbrücken. Love Theory fühlt sich nicht mehr so sehr an wie Chicago in den frühen Neunzigern, sondern eher wie Manchester ein paar Jahre später und nachdem man sich daran gewöhnt hat, ist das fast genauso immersiv wie das Debüt. Und die regelmäßigen Triphop- und Downtempo-Einschläge von da sind hier sogar nochmal besser geworden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11