Sonntag, 11. Februar 2024

Black History Month 2024 Pt. 2: Samba auf der Smaragdtafel

JORGE BEN
A Tábua de Esmeralda
Philips
1974














[ esoterisch | leichtfüßig | fröhlich ]

Es wird echt höchste Zeit, dass ich auf dieser Seite endlich mal ausführlich über ein Album von Jorge Ben schreibe. Nicht nur deswegen, weil dieser Musiker gemeinsam mit Gilberto Gil, Os Mutantes und Gal Costa sicherlich einer der wichtigsten Innovateure brasilianischer Popmusik im 20. Jahrhundert war und auf eine lange und fruchtbare Karriere zurückblicken kann, sondern vordergründig auch deshalb, weil sein Output für mich persönlich hier zunehmend wichtig geworden ist. Spätestens seitdem ich auf diesem Format die Oldies-Rubrik eingeführt habe, die sich bisher durchweg mit Platten der Sechzigerjahre beschäftigt hat, ist der Output von Ben ein Dauerbrenner dieser Listen geworden, der ab einem bestimmten Zeitpunkt in quasi jeder davon auftauchte. Und weil ich aufgrund dessen neugierig wurde und seinen Katalog inzwischen bis Mitte der Siebziger verfolgt habe, konnte ich festgestellen, dass dieser mit den Jahren (zumindest eine Weile lang) immer besser und interessanter wurde. So ist für mich persönlich gerade seine Diskografie um 1969 und 1970 wahnsinnig spannend, in denen er auf Platten wie Fôrça Bruta und seiner selbstbetitelten LP die Konventionen des Sambapop, die er wenige Jahre zuvor selbst mit seinem Debüt Samba Esquema Novo wesentlich geprägt hatte, langsam überwand. Das Ergebnis dieser klanglichen Befreiung kann man anschließend in seinem verhältnismäßig experimentellem Siebziger-Katalog hören, der ähnlich wie die Musik vieler westlicher Künster*innen zu dieser Zeit von einer gewissen Spiritualität und Hippiehaftigkeit geprägt ist. Was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass diese Songs inmitten einer finsteren Militärdiktatur entstanden und veröffentlicht wurden. Das Kronjuwel dieser Phase ist in meinen Augen nach aktuellem Stand das 1974 erschienene A Tábua de Esmeralda, eine sommerlich-lebensfrohe Platte mit leichtem Psychedelic-Touch, auf der der Brasilianer klanglich so befreit klingt wie selten zuvor. Zwar war Ben schon seit Anfang seiner Karriere kein Musiker, der zu großer Melancholie neigte und stets fluffige Songs schrieb, doch trägt dieses Album definitiv nicht mehr die zaghafte Süßlichkeit des verhuschten Sambapop der Sechziger in sich, sondern ist richtiggehend opulent. Die akustischen Gitarrenpassagen von Ben werden von Orchestertupfern, stark akzentuierten Backing-Vocals und großzügiger Percussion unterstützt und auch er selbst wirft sich als Sänger häufig in jene seltsam leiernde Vokalisen, die auf gewisse Weise soulig wirken. Glanz- und Kernstück dieser esoterischen Blumigkeit ist dabei ganz klar das grandiose Errare Humanum Est, auf dem die flirrenden Streicher über kurz oder lang komplett die Führung übernehmen und sogar an Dub erinnernde Produktionseffekte eingesetzt werden. Exotisch wird es aber auch im etwas Mariachi-haften Zumbi oder im auf englisch gesungenen Brother, das sich an Blues und Gospel probiert. A Tábua de Esmeralda ist bei all diesen kleinen Experimenten jedoch niemals ein schwer zugängliches oder weirdes Album, in vielen Punkten nicht mal wirklich ein psychedelisches. Was es mit seinen aufgeschlossenen Vibes und der ehrlichen Euphorie zwar schon irgendwie zu einem Produkt seiner Zeit macht, es aber weitestgehend befreit von deren üblichen musikalischen Klischees lässt. Und obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, dass man als Neueisteiger*in in Bens Oeuvre am besten mit seinem Debüt anfängt, ist A Tábua de Esmeralda doch keine schlechte zweite Anlaufstelle für diejenigen, die sehen wollen, wo die Reise von dort aus hingehen kann.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
O Homem da Gravata Florida | Errare Humanum Est | Menina Mulher da Pele Preta | Magnólia | Zumbi | Brother | Hermes Trismegisto e sua Celeste Tábua de Esmeralda

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Gal Costa
Gal Costa

Gilberto Gil
Louvação
 

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