Dienstag, 20. Februar 2024

Review: Vitamin Suzuki

CAN
Ege Bamyası
United Artists
1972



 

 

 

 

 

 
[ freaky | rhythmisch | groovig ]
 
Wenn es mir einfach nur darum ginge, an dieser Stelle ein Album der Gruppe Can anzupreisen, würde ich ja eigentlich lieber über ihr 1969 veröffentlichtes Debüt Monster Movie schreiben, das mir ein bisschen näher am Herzen liegt und das ich persönlich auch ziemlich unterschätzt finde. Weil der tragische Anlass dieses Posts aber der kürzliche Tod von Sänger Damo Suzuki ist und der zu diesem Zeitpunkt noch nicht Teil der Band war, möchte ich seinen Beitrag zu selbiger anhand eines Albums aus ihrer klassischen Phase würdigen, über die zu reden sich ja auch immer lohnt. Wobei die Eingrenzung dieser Periode schon die erste kleine Verbeugung vor Suzuki ist, da sie quasi durch seine Mitgliedschaft bei Can abgesteckt wird. 1970 stieg er bei den Kölnern ein, veröffentlichte als Teil des legendären Lineups mit Holger Czukay, Michael Karoli, Irmin Schmidt und Jaki Liebezeit vier Alben in drei Jahren und war 1973 auch schon wieder raus. Wobei mit Tago Mago, Future Days und eben Ege Bamyası drei dieser Alben heutzutage als die wichtigsten der Kölner gelten. Nicht nur im Rahmen der Band selbst, sondern für viele als ultimative Blaupausen für das, was unter dem Begriff Krautrock Teil der Musikgeschichte werden würde. Ich bin - das muss ich an dieser Stelle ergänzen - eigentlich keiner von denen und halte das bereits 1969 veröffentlichte Phallus Dei von Amon Düül II für den wahren Genre-Prototypen, doch streite ich nicht ab, dass Can in den frühen Siebzigern entscheidende Impulse setzten. Primär durch Liebezeit als Drummer, der mit seinem robotischen Beat das wesentliche Markenzeichen für den Kraut-Sound setzte, aber auch dadurch, wie Czukay und Karoli diese Rhythmik mit ihrem Spiel weitertrugen. Suzuki wirkte als Sänger dabei manchmal eher wie das fünfte Rad am Wagen, erfüllte Can aber auch mit Leben. Wann immer die Band drohte, zu sehr ins mechanische und mathematische umzukippen, war er da und schrie seine rotzigen Nonsens-Vocals dazwischen. Er war das unberechenbare Element im abgestimmten Uhrwerk dieses Quintetts, das alles in seine Richtung zog. Nicht immer war das von Vorteil und vor allem sein Beitrag ist einer der Gründe, warum ich mit einigen Passagen von Tago Mago bis heute nicht warm werde. Weshalb ich auch über Ege Bamyası sprechen wollte, da dieses Album es nicht nur grundlegend besser macht, sondern auch die Momente zeigt, in denen Suzuki unverzichtbar für die Band wird. Generell ist die dritte Can-Platte eine, auf der die auf Tago Mago komplett entfesselte Freak-Energie erfolgreicher in strukturelle Bahnen geleitet wird und es zumindest ein bisschen gesitteter zugeht. Klar gibt es auf der einen Seite wirre Jams wie Soup, die in jeder Faser ihres Seins anarchisch sind, auf der anderen Seite aber auch fast schon poppige Momente wie I'm So Green, Sing Swan Song oder One More Night, mit denen Can melodischer werden. Und die Höhepunkte erreicht die Platte immer dann, wenn auch Suzuki nicht nur freiförmiges Kauderwelsch ins Mikro brabbelt, sondern einen Fokus bekommt. Insbesondere Vitamin C wird primär dadurch zum Hit des Albums, da er im Song tatsächlich sowas wie eine Hook singt und ihm damit eine Richtung verleiht. Zwar sind auch diese Stücke noch immer weit entfernt von Eingängigkeit und ich selbst brauchte lange, um mit Ege Bamyası warm zu werden, im Gegensatz zu so manchem wirren Kraut-Firlefanz aus der gleichen Zeit hat es hier aber geklappt. Wobei ich auch mal ein bisschen blasphemisch sein werde und gestehe, dass das Remaster des Albums von 2004 ganz wesentlich dazu beigetragen hat. Obwohl Ege Bamyası am Ende des Tages also wahrscheinlich nicht meine liebste Can-Platte ist, empfinde ich sie trotzdem als großen Schritt für die Band und zumindest als den entscheidenden Höhepunkt des klassischen Lineups mit Suzuki. Womit sie wahrscheinlich auch die beste bleibt, die er zu Lebzeiten gemacht hat.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11
 
 
Persönliche Höhepunkte
Pinch | Sing Swan Song | One More Night | Vitamin C | Soup | I'm So Green | Spoon

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Amon Düül II
Phallus Dei

the Velvet Underground
the Velvet Underground

 
 

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