Samstag, 3. Februar 2024

Black History Month 2024 Pt. 1: Die Diva in ihrer Jugend

ARETHA FRANKLIN
Runnin' Out of Fools
Columbia
1964


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ niedlich | jugendlich | verheißungsvoll ]
 
Ich weigere mich manchmal ein bisschen, die Art von Musik, die Künstler*innen wie Aretha Franklin Anfang der Sechziger machten, schon mit dem bedeutungsvollen und sakralen Begriff "Soul" zu bezeichnen, so sehr wie die Idee davon dort noch in den Kinderschuhen steckt. Denn Soul, zumindest das, was man heutzutage darunter versteht, ist eben nicht ein bisschen angegospeltes Schlager-Schalala mit säuseligen Liebesschwüren, Soul ist das animalische Keifen eines James Brown, der auditive Schlafzimmerblick eines Al Green, die aktivistische Sehnsucht eines Marvin Gaye und die wärmende Aura eines Otis Redding. Eine tief empfundene, spirituelle Form der Popmusik, die zum Soundtrack einer Generation im Aufruhr wurde und zu der ja auch Aretha Franklin selbst später viel Beitragen würde. Und mit später meine ich die legendären Siebziger, in denen der Soul sein größtes Selbstbewusstsein entwickeln sollte. Alben wie das hier besprochene, die nur einen Steinwurf vom Do-Wop der Vierziger und Fünfziger entfernt sind und eher als bekömmliche Schlagermusik funktionieren, will man mit dieser großen Musik eigentlich ungern in einen Topf werfen. Dass alle Dinge irgendwann mal ihren Anfang hatten und sich erst entwickeln mussten, ist aber auch eine Tatsache und gerade dafür ist diese LP ein Indiz wie wenige andere. Einfach weil wir inzwischen wissen, was für eine Künstlerin Aretha Franklin später mal werden würde und wir daher die Linie ziehen können zwischen der Ästhetik dieses Albums und ihren späteren zeitlosen Erfolgen. Man könnte also fast schon sagen, dass sie Geschichte dieser Künstlerin quasi die Geschichte des Soul an sich ist. Oder zumindest, dass sie eine der Protagonistinnen des Genres ist, deren Karriere sich durch viele ihrer wichtigen Phasen zieht. Mit diesem Album als vielleicht sinnvollster Anfangspunkt. Denn obwohl Runnin' Out of Fools nominell bereits der fünfte Longplayer von Aretha Franklin ist und man ihre frühesten Singles sogar bis 1957 zurückdatieren kann, ist das hier der erste Punkt, an dem die Sängerin wirklich auffällt. Man kann rückblickend sagen, dass Franklins frühe Zeit bei Columbia Records vor allem deshalb nicht fruchtete, weil das Label sie durchweg falsch vermarktete und sie eher in ein softes Teeniepop-Korsett zu zwängen versuchte, das erst mit ihrem Wechsel zu Atlantic (und damit zu einem Label, das eine echte Komptenz für Soulmusik besaß) effektiv zerbrach. Dass diese frühe Phase völlig frei von Highlights ist, kann man aber auch nicht behaupten und gerade Runnin' Out of Fools ist dafür in meinen Augen ein schlagender Beweis. Denn für mich ganz persönlich ist das hier definitiv Franklins erstes richtig gelungenes Album, das selbst spätere Fanfavoriten wie I Never Loved A Man the Way I Love You oder Yeah!!! überschattet. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass Künstlerin selbst hier gerade Mal 22 Jahre alt ist. Franklins Alter ist auch bezeichnend, wenn man sich die Songauswahl und den allgemeinen Vibe dieser LP ansieht. Denn was wir hier erleben, ist eben nicht die ausgereifte, selbstbewusste Schmetterdiva, die man Ende der Sechziger hören würde, sondern eine sehr jugendliche ehemalige Chormusikerin, die vor allem an Teenager vermarktet werden soll. Folglich ist Runnin' Out of Fools auch als Sammlung von Coverversionen bekannter Schlager angelegt, die im damaligen Verständnis wohl besonders "mädchenhaft" und adoleszent wirken sollen. Gerade der flippige Shoop Shoop Song im Mittelteil - bekannt vor allem durch die Version von Betty Everett aus dem Vorjahr - hat definitiv ein Geschmäckle von billigem Novelty-Sellout und auch das Mary Wells-Cover My Guy ist vielleicht ein bisschen zu viel Schalala für manche. Gleichzeitig merkt man aber trotzdem, dass die Interpretin dieser Songs eine Sängerin mit Attitüde ist, die selbst aus diesem scheinbar belanglosen Zuckerwattepop das Maximum an Leidenschaft herausholt. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist der Song Walk On By, im Original von Burt Bacharach und Dionne Warwick, dem Franklin eine herrliche Weichheit verleiht und im Refrain auch wirklich anklagend klingt. Noch mehr Power gibt es im gleich darauf folgenden Every Little Bit Hurts, in dem man auch das einmalige Organ der Sängerin schon erahnen kann. Und einen Touch des lyrischen Schneids von Franklin, der eben nicht ins Schema der Softpop-Lolita passt, hört man sowohl in I Can't Wait Until I See My Baby's Face als auch im Titelsong. Obwohl Runnin' Out of Fools also rückblickend also ein bisschen der falsche Film für diese Künstlerin ist, ist es doch ein Album, das ihre größten Trümpfe in einer frühen Entwicklungsstufe stark festhält. Und selbst wenn man sich die spätere Karriere von Franklin wegdenkt, ist das hier für mich persönlich eines der überzeugendsten Alben aus der Findungsphase des Soul, das auch für diejenigen taugt, die nach den Ronettes nicht weiter wissen. Egal, ob man es jetzt offiziell in dessen Kanon hineinzählt oder nicht.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡🟢 10/11
 
 
Persönliche Höhepunkte
Mockingbird | Walk On By | Every Little Bit Hurts | You'll Lose A Good Thing | I Can't Wait Until I See My Baby's Face | It's Just A Matter of Time | One Room Paradise

Nicht mein Fall
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Hat was von
the Ronettes
Presenting the Fabulous Ronettes Featuring Veronica

Etta James
At Last


 

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